Ist Lügen erlaubt? Wann sind Notlügen sinnvoll? Warum lügen wir? Ehrlichkeit um jeden Preis? In diesem Beitrag erfahren Sie wertvolle Informationen zum Umgang mit Notlügen und Lügen.
Angeblich lügen wir 200 Mal am Tag. Ist ein Zusammenleben mit anderen ohne Lügen, Ausreden, Schwindeln oder Notlügen überhaupt möglich? "Ehrlich währt am längsten.", "Lügen haben kurze Beine.", "Du sollst nicht lügen! (achtes Gebot)" – mit diesen Sprichwörtern und Geboten sind die meisten von uns groß geworden.
Die großen Philosophen, von Aristoteles über Augustinus bis hin zu Immanuel Kant, werten die Lüge als unmoralisch und verwerflich. Und doch lügen wir jeden Tag: Wir gestatten uns Notlügen, gebrauchen Ausreden, um nicht die Wahrheit sagen zu müssen. Manchmal verspüren wir dabei ein schlechtes Gewissen. Häufig haben wir ein gutes Gefühl beim Lügen, weil wir in der besten Absicht lügen, etwa um einen anderen nicht zu verletzen. Was sich hinter Notlügen verbirgt und welche Aufgabe sie in unserem Leben haben, das ist unser Thema.
Britische Experten ermittelten, dass der Mensch durchschnittlich rund 200 Mal am Tag lügt. Amerikanische Experten kamen in ihrer Statistik nur auf 50 Mal am Tag. Die Zahl ist aber eher unwichtig. Es geht darum, dass wir tatsächlich häufig lügen. Das können Sie nicht glauben? Dann überlegen Sie einmal, ob Sie heute dem Nachbarn höflich "Guten Tag" gewünscht haben, obwohl Sie ihm am liebsten einen schlechten Tag gewünscht hätten.
Oder haben Sie auf die Frage "Wie geht’s?" mit "gut" geantwortet, obwohl Ihnen heute viele Sorgen durch den Kopf gehen und das Rheuma schmerzt? Haben Sie schon einmal auf ein Geschenk freudig reagiert, obwohl Sie es eigentlich scheußlich fanden? Wie häufig wir Notlügen einsetzen, ist uns oft nicht bewusst. Beispielsweise ist nur bei einem von zehn Geschenken die Freude echt! In neun von zehn Fällen heucheln wir.
Laut einiger Untersuchungen soll es geschlechtsspezifische Unterschiede geben: Frauen lügen vorwiegend, um zu motivieren, zu trösten und nicht zu verletzen. Männer lügen, weil sie gut dastehen wollen. Am leichtesten fallen uns Lügen und Notlügen, wenn wir unser Gegenüber nicht so gut kennen oder mit ihm am Telefon sprechen.
Ja, ein Blick auf die Körpersprache verrät, ob jemand lügt. Für unseren Körper bedeutet jede Schwindelei Stress, der sich im vegetativen Nervensystem bzw. Körper niederschlägt. Deshalb kann man die meisten Lügner mit einem Lügendetektor entlarven.
Wenn unser Gegenüber lügt, gefriert sein Lächeln, die Lippen werden aufeinander gepresst. Seine Pupillen erweitern sich, er blinzelt häufiger. Seine Stimme wird beim Lügen höher und enger. Seine Redeweise wirkt übertrieben, zu schnell, zu viel, zu sehr in Einzelheiten verzettelt. Er gestikuliert vielleicht mehr als sonst. Allerdings steuern routinierte Lügner diesen Körperreaktionen entgegen. Gute Pokerspieler setzen ein Pokerface auf und verstehen es, überzeugend zu bluffen.
73 Prozent aller Deutschen sind der Meinung, dass es Situationen gibt, in denen man lügen muss – aus Höflichkeit, Rücksicht, Mitleid, Liebe und um andere zu schützen. Im Widerspruch dazu steht, dass 74 Prozent tief verletzt und enttäuscht sind, wenn sie herausfinden, dass sie belogen wurden.
Das trifft besonders auf Partnerschaften zu. Einerseits erwarten wir, dass der Partner ehrlich ist und uns nicht belügt, andererseits sind wir gekränkt und verletzt, wenn er ehrlich seine Meinung sagt. In Partnerschaften wird viel gelogen, sei es, weil man Konflikte und Streit vermeiden will, sei es, weil man dem anderen schmeicheln will, weil man vermeiden möchte, dass der Partner gekränkt ist.
Wenn die Wahrheit nur verletzen und entmutigen würde, ist man zum Lügen verpflichtet.
So die Überzeugung des Wiener Sozialwissenschaftlers Peter Stiegnitz. Er ist der Ansicht, dass alle Menschen lügen und die Lüge die Basis unserer Existenz sei. Würden alle Menschen die Wahrheit sagen, bräche das soziale Gefüge zusammen.
Keine Beziehung würde länger als zwei Minuten halten, wenn wir immer die Wahrheit sagen würden.
Wir sollten uns also bewusst machen, wann wir lügen. Wenn die Lügen weitere Konsequenzen für unser Zusammenleben haben, machen wir es uns unnötig schwer, wenn wir lügen. Es kostet nämlich viel Kraft, das Lügengebäude aufrechtzuerhalten. Wenn wir aufgrund mangelndem Selbstbewusstsein häufig zu Notlügen greifen, dann besteht die Gefahr, dass wir uns nicht mehr im Spiegel anschauen können. Wir verlieren unsere Selbstachtung, weil wir uns für unsere Feigheit verurteilen. Und wir sind nicht mehr frei, zu entscheiden, ob wir die Wahrheit sagen oder nicht.
Aus Angst, den anderen zu verletzen und dafür vom anderen abgelehnt zu werden, belügen wir die anderen. Ganz ohne (Not-)Lügen werden wir nicht auskommen, denn kaum jemand will, dass Freunde, der Partner, die Kinder, Bekannte, Arbeitskollegen und Nachbarn ständig verletzt, gekränkt und beleidigt sind.
Die positive Seite an Notlügen und Lügen ist, dass sie das Zusammenleben erträglicher machen. Notlügen können das Gute im Menschen wecken, seine Kreativität und Hilfsbereitschaft fördern und dazu beitragen, dass wir alle netter miteinander umgehen. Wenn wir Notlügen nicht einsetzen, um Vorteile daraus zu ziehen und dem anderen zu schaden, sind sie wie Öl im Getriebe. Im Übrigen ist einfach den Mund zu halten und etwas zu verschweigen auch nicht besser als Lügen!
Abschließend ein Zitat von David Nyberg, Professor an der State University in New York:
Die körperliche und seelische Unversehrtheit unserer Mitmenschen, ihr Wohlergehen und ihre Würde sind höhere Werte als die Wahrheit.
Wir sollten von uns nicht fordern, immer die Wahrheit sagen zu müssen, jedoch ganz bewusst aus der jeweiligen Lebenssituation heraus entscheiden, wie wir einen anderen, worüber und wie lange wir ihn täuschen. Lügen ist ein schwieriges, weil ambivalentes Thema, für das es nicht den einen Lösungsweg gibt. Ihnen bleibt daher zu wünschen, dass Sie den für Sie richtigen Maßstab finden zwischen Wahrheit und Notlüge, sodass Sie immer wieder neu Frieden in Ihrem Innern und in Verbindung mit anderen verspüren können.
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Ich für mich entscheide oftmals, ob ich lügen möchte oder es lieber lasse. Ich frage mich, wie ich es in der Situation finden würde, wenn die Rollen getauscht wären. Lüge ich, weil ich etwas für mein eigenes Wohl/ mein Ego tun möchte? Oder ist mein Fokus auf das Wohl des Gegenübers gerichtet, weil es mir sehr wichtig ist, die Person z.B. NICHT zu verletzen?
Wer ständig lügt, der riskiert wichtiges Vertrauen, welches aber wichtig für Beziehungen ist. Lügen schürt Misstrauen.
In meiner Familie haben wir für uns grundsätzliche Regeln bezüglich "wann und wie sind Lügen akzeptabel und wann eben NICHT" aufgestellt und das funktioniert ganz gut. So sind die Schuldgefühle gering, genauso wie das Misstrauen, weil jeder versteht, warum gelogen wurde. ( z.B. weil man den anderen schonen bzw. ihn NICHT verletzen wollte.)
Nachdem meine Mutti schwer herzkrank ist, meine Eltern bereits meine 2 Geschwister verloren haben, habe ich nun 3 Wochen verheimlicht das bei mir ein Tumor festgestellt wurde und es 50:50 steht mit Krebs - auch die OP habe ich verschwiegen und etwas erfunden wo ich gerade bin...heute werde ich es ihnen sagen, dass ich gelogen habe um sie zu schützen: wie es aussieht hatte ich Riesenglück!!! Ich finde solche Notlügen müssen manchmal sein um andere zu schützen!!
Früher gehörte Lügen zu meinem Leben. Hauptsächlich um mein Selbstwertgefühl zu steigern.Aber irgendwann konnte ich mich nicht mehr ausstehen kam mir als extrem unauthentisch vor. Ich konnte es relativ schnell auf die Notlüge reduzieren.Das positive Lebensgefühl das darauf folgte ,drängte mich dazu ganz aufs Lügen zu verzichten. Es funktioniert wunderbar. Wie Gelsomina weiter unten schreibt: die Wahrheit ist den Menschen zumutbar. Vor allem aber auch mir selber. Am schwersten zu ertragen war, dass man es einem nicht abnimmt ,selbst in den kleinsten Dingen ehrlich zu sein. Die Leute sagen,es sei schlicht nicht möglich, nicht machbar. Aber das ist genauso eine Lüge. Es liegt eine grosse Freiheit in der Wahrheit und das liebe ich.
warum kann man nichts kopieren richtig ehrenlos
Ich gebe mir Mühe nur dann zu lügen, wenn ich den "Anderen" nicht enttäuschen oder verletzen möchte.Wenn man die Wahrheit aber teil -nahmsvoll und freundlich zu jemanden sagt, klappt es meistens auch OHNE Lüge!! Jutta