Es sind fast immer Angehörige, die als zuerst erkennen, wenn jemand abhängig von Computerspielen wird. Sie tun sich allerdings schwer, das Problem anzusprechen. Dieser Beitrag gibt Hilfestellungen für einen konstruktiven Umgang mit dem Computerspielsüchtigen.
Computerspielsüchtige reagieren gereizt, ablehnend oder sogar aggressiv, wenn das Thema angesprochen wird. Je nachdem, wie das erste Gespräch verläuft, kann es der Beginn eines sachlichen, rücksichtsvollen Dialogs – oder der Beginn eines dauerhaften, hochemotionalen Konflikts sein.
Diese Tipps Partnern und Familienangehörigen, ein konstruktives Gespräch mit dem Betroffenen zu starten und so zu zeigen, dass Sie sich Sorgen um ihn machen.
Computer, Smartphone und Konsole fordern ganze Aufmerksamkeit. Deshalb sollten sie es in einer Situation versuchen, in der er gerade nicht spielt. Es sollte außerdem genügend Zeit für das Gespräch sein. Ganz wichtig ist auch, dass das Gespräch sich nicht gerade an einen Konflikt anschließen soll - wenn die Emotionen bereits hochgehen.
Wie wollen Sie das Gespräch anfangen? Was wollen Sie unbedingt sagen? Wie könnte ein realistisches Ziel für das erste Ansprechen aussehen?
Es fällt ihm leichter, ihre Sorgen nachzuvollziehen, wenn Sie konkret bleiben und Beispiele benennen können.
Schlecht: "Du machst nichts anderes mehr."
Besser: "Du scheinst keine Freude am Fußballtraining mehr zu haben."
Schlecht: "Das ist nicht normal."
Besser: "Mir ist aufgefallen, dass du nachmittags oft 5 Stunden ohne Pause spielst."
Vermeiden Sie offene Vorwürfe. Zeigen Sie stattdessen, dass Sie sich Sorgen machen. Beschreiben Sie, dass Sie oder die Familie unter der derzeitigen Situation leiden.
"Ich mache mir Sorgen, dass du deine Freunde verlierst."
"Ich fühle mich hilflos."
Erklären Sie, dass Sie eher unterstützen als Vorschriften machen wollen. Ein erster kleiner Schritt: Schlagen Sie ein Wochenprotokoll vor. Das hilft, ihm das Ausmaß der Spielzeit zu zeigen und ist Ausgangspunkt für den nächsten Tipp.
Die meisten Computerspielsüchtigen verlieren zunehmend das Interesse an ihren bisherigen Hobbys. Sport, Freundschaften, Freizeitaktivitäten - sie wieder zu aktivieren wäre ein großer Erfolg. Mit dem Wochenprotokoll vor Augen erstellen sie einen Plan, um Schritt für Schritt wieder Zeit weg vom Computer hin zu den Sachen, die ihm früher Spaß gemacht haben, zu verschieben.
Mit ihrem Problem sind sie nicht allein. Es gibt Online-Foren, in denen die Angehörigen von Computerspielsüchtigen ihre Erfahrungen teilen. Vereinzelt gibt es auch Selbsthilfegruppen. Außerdem hilft Ratgeberliteratur, um mehr über Computerspielsucht, ihre Ursachen, Folgen, häufige Begleiterkrankungen und Therapiemöglichkeiten mehr zu erfahren.
Manchmal hilft auch das geschickteste Ansprechen nicht weiter. Dann sind Suchtberatungsstellen oder spezialisierte Psychologen und Psychotherapeuten die bessere Lösung. Sie helfen Ihnen vor allem dann, wenn:
Wenn Sie unsicher sind, können Online-Tests helfen, den konkreten Verdacht zu bestätigen. Die Tests zu Computerspielsucht gibt es für die Betroffenen selbst, aber auch um sein Kind oder seinen Partner einzuschätzen. Je früher bei einer Suchtgefährdung eingegriffen wird, desto einfacher gestaltet sich eine Therapie. Studien zeigen zudem, dass eine Computerspielsucht in neun von zehn Fällen nicht von allein wieder verschwindet.
Einen Süchtigen in seinem Umfeld zu haben ist eine große Belastung. Schließlich hat eine Sucht nicht nur Auswirkungen auf dessen Leben, sondern auch auf Familie, Partner und Menschen am Arbeitsplatz. Die Hilfsbereitschaft kann so weit gehen, dass sich eine ungünstige Co-Abhängigkeit entwickelt. Dabei fördern Bezugspersonen die Sucht des Betroffenen durch ihr Tun oder Unterlassen noch weiter. Sie handeln zwar ohne Ausnahme in bester Absicht, erreichen damit aber das Gegenteil und leiden zusätzlich vermehrt selbst unter der Situation.
In dieser Phase wird die Sucht noch verdrängt, bagatellisiert, entschuldigt und verharmlost. Arbeitskollegen verheimlichen Fehlzeiten und gleichen seine schlechte Arbeitsleistung aus, die Partnerin verneint das Problem gegenüber Dritten. Die Fassade soll aufrechterhalten werden, auch wenn die Entwicklung längst erkennbar ist.
Besser wäre: Dem Süchtigen die Konsequenzen seines Verhaltens nicht vorenthalten oder abmildern. Nur wenn er die Folgen erlebt, entsteht auch Druck und hoffentlich die Einsicht, dass etwas an der Situation geändert werden muss.
Nun versucht das Umfeld, das Computerspielen zu begrenzen. Router verstecken, Internet abschalten. Die zaghaften Versuche bleiben aber erfolglos – der Süchtige findet immer einen Weg – besonders wenn es um technische Hürden geht. Oder er findet Freunde, die noch in Phase eins feststecken.
Besser wäre: Sich von der Idee zu verabschieden, eine Sucht lasse sich auch gegen den Willen des Betroffenen bekämpfen, wenn nur das Umfeld geschlossen und konsequent genug ist.
Mittlerweile leiden Partner und Umfeld genauso an der Situation wie der Betroffene selbst. Sie klagen sein Verhalten offen an, aus der Enttäuschung entwickelt sich Hass und Schmerz. Die Umstände werden schwieriger: Jobverlust, finanzielle Probleme. In dieser Phase kommt es häufig zu Trennungen. Bei depressiven Patienten kann Suizid ein Thema werden.
Besser wäre: Computerspielsucht als das ansehen, was sie tatsächlich ist – eine psychische Erkrankung. Die Suche nach Schuld wird in dieser Phase nicht mehr weiterhelfen. Stattdessen geht es darum, Hilfe von außen zu holen. Spätestens jetzt ist auch der Zeitpunkt gekommen, wo sich der Co-Abhängige in erster Linie um sich selbst kümmern muss.
Eine Computerspielsucht ist für Partner, Angehörige und ihre Familien eine große Belastung. Eine Beratung hilft Ihnen, nicht mehr allein mit dem Problem umgehen zu müssen. Besonders bei depressiven Begleiterkrankungen oder Aggressivität ist es eine große Erleichterung zu wissen, dass man nicht mehr die ganze Verantwortung allein tragen muss. Im besten Fall kann Ihnen eine Beratung vielleicht sogar die Bestätigung geben, dass es doch nur häufiges oder unbedenkliches Spielen ist. Auf jeden Fall gilt: Sie sind nicht allein.
Definitiv. Tatsächlich sind es überwiegend Eltern oder Partnerinnen, die eine sich entwickelnde Computerspielsucht zuerst erkennen. Eine Beratung ist auch sinnvoll, wenn der Betroffene gar keine Einsicht zeigt. Dann kann dem Umfeld mindestens dabei geholfen werden, zum Selbstschutz vernünftige Grenzen zu setzen und eine Co-Abhängigkeit zu verhindern.
Da es in erster Linie um ihre Beziehung geht, kommt auch eine Paarberatung in Frage. Wenn Probleme in einer Partnerschaft oder Ehe festgefahren sind, kann ein Paartherapeut helfen, zu einer offenen und wertschätzenden Kommunikation zurückzufinden. Vor allem junge Paare geben oft zu schnell auf und trennen sich, ohne tatsächlich an den Problemen zu arbeiten.
Eine Computerspielsucht ist eine enorme Belastung für eine Beziehung. Oft schieben Partnerinnen eine Trennung trotzdem lange hinaus, besonders wenn es in der Beziehung schon Kinder gibt. Wenn der Süchtige keine Einsicht entwickelt und Beratung und Therapie langfristig ablehnt, ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation bessert. Mit der vagen Hoffnung und dem Verbleib in der ungünstigen Konstellation fördern Sie eher eine negative Entwicklung – schließlich verhindern Sie, dass er die negativen Konsequenzen seiner Sucht spürt. Oft kann man bei dieser Entscheidung noch einige Sitzungen Paarberatung empfehlen – Ziel dabei ist, klare Grenzen zu setzen, die eigenen Bedürfnisse darzulegen und einen festen Rahmen zu ziehen, unter welchen Bedingungen eine Beziehung aufrechterhalten werden kann.
Es ist ein wunderbarer Charakterzug und in großen Teilen auch das Versprechen in einer Beziehung, sich auch in schlechten Zeiten um den Anderen zu kümmern und für ihn da zu sein. Am Ende dürfen Sie aber doch für sich selbst entscheiden: Ist das das Leben, das ich für mich haben möchte, gibt es eine Aussicht, dass sich die Situation bessern kann oder kämpfen Sie auf verlorenem Posten?
Eine Computerspielsucht hat Ursachen in drei Bereichen: der Persönlichkeit des Betroffenen selbst, dem Suchtmittel (Design und psychologischen Mechaniken der Computerspiele) und des sozialen Milieus und der Gesellschaft. Während eine Partnerschaft vielleicht durchaus einen protektiven, schützenden Einfluss vor psychischen Erkrankungen darstellen kann gibt es keinen wissenschaftlichen Hinweis, dass die Beziehung ursächlich für die Entwicklung einer Computerspielsucht sein könnte.
Für die Unterscheidung zwischen häufigen (aber normalen) Spielen und einer Computerspielsucht ist die tägliche Spielzeit kein verlässliches Kriterium. Wichtiger ist, ob der Betroffene sein Spielen noch unter Kontrolle hat, ob er außerhalb der Spiele weiterhin seinen anderen Hobbys nachgeht, seine sozialen Kontakte aufrechterhält und ob er weiter seinen Berufsalltag aufrechterhält und alltäglichen Pflichten nachkommen kann. Als drittes Kriterium nennt die WHO, dass Süchtige trotz sichtbarer negativer Konsequenzen weiterspielen. Gesunde Spieler hingegen können ihr Spielen einschränken, wenn die negativen Folgen Überhand nehmen.
Tatsächlich kann auch normales Spielen eine Partnerschaft belasten, wenn sich die Partnerin vernachlässigt fühlt und ihr Zuwendung fehlt. Weil normale Spieler ihre Spielzeit durchaus unter Kontrolle haben, können Sie in einem offenen Gespräch feste Regeln vereinbaren. Etwa bestimmte Abende in der Woche, an denen Computer und Konsole generell ausbleiben oder dass an Regentagen ohne Einschränkungen gespielt werden kann, aber an Sonnentagen andere, gemeinsame Freizeitaktivitäten unternommen werden. Wenn keine Sucht im Hintergrund besteht, ist die Gestaltung ihrer gemeinsamen Zeit schlicht Verhandlungssache.
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