Kapitel 10 (Mit berechtigter und unsachlicher Kritik umgehen lernen) des Ratgebers Lass dir nicht alles gefallen
Kapitel 10 Ratgeber Selbstbewusstsein
Stell dir vor, es gäbe eine kugelsichere Weste, die dich vor Kritik und Angriffen schützen würde. Jeder Giftpfeil, den ein anderer auf dich abschießt, würde einfach an dir abprallen, ohne dich zu verletzen. Würdest du dir eine solche Weste zulegen?
Eine solche Weste gibt es. Wie du dir diese zulegen kannst, davon handelt dieses Kapitel. Mit Kritik selbstsicher umgehen zu können, ist eine wichtige Fähigkeit im Zusammenleben mit anderen Menschen. Wenn es dir wie den meisten Menschen geht, dann kannst du jedoch mit Kritik nur sehr schlecht oder gar nicht umgehen.
Wirst du kritisiert, dann fühlst du dich vielleicht persönlich angegriffen, verteidigst dich, versuchst deinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, indem du die Verantwortung auf andere schiebst, greifst den anderen an, hast Rachegelüste oder ziehst dich gekränkt in eine Ecke zurück und leckst deine Wunden.
Die Antwort darauf finden wir in unserer Kindheit. Wurden wir als Kinder von unseren Eltern kritisiert, dann empfanden wir ihre Kritik als Ablehnung unserer Person. Als Kind von den wichtigsten Bezugspersonen abgelehnt zu werden, bedeutet immer, Gefahr zu laufen, die Liebe und Unterstützung dieser wichtigen Menschen zu verlieren.
Wenn wir als Kinder befürchten, die Liebe anderer zu verlieren, dann sehen wir uns buchstäblich in Lebensgefahr, da wir ohne diese Menschen nicht überleben können. Wir sind als Kinder so auf unsere Eltern angewiesen, sind von ihnen so abhängig, dass wir den möglichen Verlust ihrer Liebe als etwas Lebensgefährliches betrachten. Auch folgte der Kritik der Eltern oft eine Bestrafung.
Auf diese Weise haben wir gelernt, Kritik als etwas sehr Gefährliches anzusehen, vor dem man sich schützen muss, dem man möglichst aus dem Weg gehen muss. Obwohl unser Überleben als Erwachsene nicht mehr in dem Maße von anderen abhängig ist, obwohl wir sehr gut ohne die Liebe und Unterstützung anderer leben könnten, haben viele von uns trotzdem noch panische Angst vor Kritik.
Grundsätzlich gibt es zwei Beweggründe, warum Menschen kritisieren: Sie tun es entweder, um uns zu schaden oder um uns zu helfen.
Wenn Menschen uns durch ihre Kritik schaden wollen, dann ist Kritik für diese ein Mittel, um über uns Kontrolle auszuüben oder uns zu beherrschen. Durch ihre Kritik wollen sie erreichen, dass wir klein beigeben, uns unterlegen fühlen und sie ihren Willen durchsetzen können.
Oft bringen solche Menschen ihre Kritik sehr lautstark, »von oben herab« oder gar aggressiv vor, so dass sie alleine schon durch ihr Auftreten ihre Mitmenschen einschüchtern.
Manche Menschen setzen Kritik aber auch ein in der Hoffnung, der Kritisierte verspürt Schuldgefühle und lässt sich so besser manipulieren. Sie gebrauchen gerne pauschale Urteile wie: »Du tust nie ...«, »Du tust immer ...«, usw. Sie versuchen also auf indirekte Weise, d.h. über Schuldgefühle, ihren Willen durchzusetzen.
Menschen üben aber auch Kritik, weil sie sich rächen und dem anderen etwas heimzahlen wollen. Kritik als Mittel, um Rache zu üben, setzen Menschen meist dann ein, wenn sie sich verletzt oder angegriffen fühlen.
Es gibt auch Menschen, die nur deshalb Kritik üben, weil sie meinen, sie könnten sich dadurch »größer« machen, indem sie andere »klein« machen. Dann gibt es Menschen, die üben nur Kritik, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, oder um von etwas abzulenken, was ihnen unangenehm ist.
Und schließlich üben manche Menschen Kritik, um anderen dadurch zu signalisieren: »Ich bin hier der Boss.« Sie wollen dadurch ihre Position stärken und mögliche Rivalen ausschalten.
Kritik, die in schlechter Absicht geäußert wird, hat nur ein Ziel: Der Kritisierte soll sich schlecht fühlen, damit es der Kritisierende leichter hat, seinen Willen durchzusetzen. Kritik jedoch, die in guter Absicht geäußert wird, verfolgt das Ziel, dem Kritisierten zu helfen.
Durch die Kritik wird der Kritisierte auf seine Fehler aufmerksam gemacht, und er hat so die Chance, es das nächste Mal besser zu machen. Dies trifft auf die Arbeitswelt ebenso zu wie auf private Beziehungen. Dem Kritisierenden liegt viel am anderen, und er möchte deshalb, dass dieser das Beste aus sich macht.
Kritik ist in diesen Fällen eine Form von Unterstützung und Anteilnahme.
Es ist nicht immer leicht, zu entscheiden, ob der Kritisierende nun in guter oder schlechter Absicht Kritik übt. Ein manches Mal mag es helfen, wenn du den Kritisierenden frägst, warum er dich kritisiert, und was er damit beabsichtigt.
Auch mag die Art, wie die Kritik vorgebracht wird, einen Anhaltspunkt liefern, was der Kritisierende mit seiner Kritik beabsichtigt.
Gebraucht er beleidigende Worte und kritisiert er sehr aggressiv und laut, dann lässt das eher darauf schließen, dass er dich manipulieren will, wenngleich seine Reaktion auch nur übersteigert sein kann, weil ihn etwas schon sehr lange an deinem Verhalten stört und er sich nicht getraut hat, dir das zu sagen.
Wenn du auch nicht immer zweifelsfrei entscheiden kannst, ob es ein anderer mit seiner Kritik gut meint, oder ob er dir schaden will: Du kannst lernen, mit beiden Formen von Kritik gelassen umzugehen. Dazu bedarf es allerdings einer wichtigen Voraussetzung.
Wir können nur gelassen mit Kritik umgehen, wenn wir uns sicher fühlen, wenn wir sozusagen eine schusssichere Weste tragen, die kein giftiger Pfeil durchdringen kann! Und wann fühlen wir uns sicher? Wenn wir Kritik nicht persönlich nehmen, wenn wir uns nicht angegriffen fühlen. Wie nimmt man etwas nicht persönlich?
>>> Mehr zum Umgang mit Kritik im Ratgeber Lass Dir nicht alles gefallen
Weitere Leseproben
Kapitel 2
Warum sind wir schüchtern und unsicher?
Kapitel 5
Wie andere dich manipulieren wollen
Kapitel 6
Selbstwert stärken, sich annehmen lernen
Kapitel 12
Komplimente annehmen und machen
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