Warum sind wir schüchtern gehemmt und unsicher? Kapitel 2 des Selbstbewusstsein Ratgebers: Lass dir nicht alles gefallen.
Ist dir schon einmal aufgefallen, mit welcher Selbstverständlichkeit, Natürlichkeit und Unbefangenheit viele kleine Kinder auf andere Menschen zugehen, diese anlächeln oder ein Gespräch beginnen?
Ein kleines Kind fällt nicht in eine Depression, wenn ein anderes Kind nicht mit ihm spielen will. Es ärgert sich nicht tagelang über etwas. In Sekundenschnelle hat es den Vorfall vergessen und ist wieder mit etwas anderem beschäftigt. Es ist nicht nachtragend, wenn ihm ein Erwachsener etwas abschlägt.
Und wie geht es uns Erwachsenen? Was für ein Drama machen wir, wenn ein anderer uns ablehnt. Wie oft laufen wir tagelang mit einem langen Gesicht herum, wenn uns eine Laus über die Leber gelaufen ist. Wie schwer tun wir uns, auf andere zuzugehen, diese anzulächeln und anzusprechen. Wie viele Ängste und Skrupel haben wir bei dem Gedanken, jemandem eine Bitte abzuschlagen oder jemanden um etwas zu bitten? Wie lange zögern wir, bis wir endlich unsere Meinung äußern?
Warum sind wir so geworden? Wo sind die Unbefangenheit und die Natürlichkeit geblieben, mit denen wir uns früher so unbeschwert und selbstsicher bewegt haben? Welche Erfahrungen haben dein und mein einstmals natürliches Selbstbewusstsein zerstört und uns in unsichere und schüchterne Menschen verwandelt?
Die Antwort lautet: Wir sind schüchtern, weil wir als Kinder öfter durch Androhung von Liebesentzug eingeschüchtert wurden. Dadurch haben wir eine Angst vor Ablehnung entwickelt.
Angst vor Ablehnung
Durch diese Angst lassen sich Menschen davon abhalten, selbstsicher aufzutreten. Würden wir der Angst, abgelehnt zu werden, nicht erlauben, uns einzuschränken, dann könnten wir uns frei entfalten und ein erfülltes Leben führen.
Beachte bitte: Ich sage nicht, dass diese Angst dafür verantwortlich ist, dass wir Hemmungen haben. Es ist vielmehr so, dass wir uns durch diese Angst lähmen lassen und ihr erlauben, über unser Verhalten zu bestimmen.
»Was wird er/sie von mir denken?« Diese Frage beschäftigt Tag für Tag Millionen Menschen. Diese Frage und die unausgesprochene Antwort darauf hält uns oftmals davon ab, selbstsicher aufzutreten und unsere Bedürfnisse und Wünsche anderen mitzuteilen.
»Was wird sie von mir denken, wenn ich sie anspreche?« »Was wird er von mir denken, wenn ich ihm sage, dass ich keine Lust habe, mit ihm auszugehen?« Was wird die Verkäuferin von mir denken, wenn ich, ohne etwas zu kaufen, wieder gehe?«
»Was wird der Chef von mir denken, wenn ich ihm sage, dass ich keine Überstunden machen will?« »Was wird der Ober denken, wenn ich ihm sage, dass es nicht geschmeckt hat?« »Was wird der Bekannte von mir denken, wenn ich nicht zu seinem Fest gehe?« »Was wird mein Freund von mir denken, wenn ich ihm kein Geld leihe?«
Die Antwort auf diese Fragen ist immer: »Sie (die anderen) werden schreckliche Dinge über mich denken, und das wäre furchtbar. Das könnte ich nicht ertragen.« Hinter diesen Fragen steckt also die Angst, von anderen abgelehnt zu werden bzw. die Angst, dass diese Ablehnung schlimme Folgen für uns haben könnte.
Gefühlsmäßig empfinden wir eine Ablehnung als ein Todesurteil. Wir fühlen uns so, als wäre eine Ablehnung gleichbedeutend mit einem vernichtenden Urteil über unser Leben, so, als wäre das unser Ende.
Wir tun so, als könnten wir nicht mit einer Ablehnung und Zurückweisung leben. Dieses Gefühl, eine Ablehnung nicht überleben zu können, rührt von unserer Kindheit her, in der die Ablehnung durch unsere Eltern tatsächlich etwas sehr Bedrohliches war. Wir waren damals nicht in der Lage, ohne unsere Eltern leben zu können. Wir waren auf sie angewiesen und darauf, dass sie für uns sorgten.
Wie entsteht die Angst vor Ablehnung?
Von klein auf machen wir Tag für Tag eine Menge Erfahrungen, die unser Denken, Fühlen und Handeln prägen. Versetzen wir uns einmal in die Lage, als wir 2, 3 oder 5 Jahre alt waren. Konnten wir in diesem Alter bereits für uns sorgen? Waren wir in der Lage, ohne unsere Eltern zu überleben?
Nein! In den ersten Jahren sind wir in hohem Maße von unseren Eltern abhängig. Wir wissen in diesem Alter instinktiv, dass wir unsere Eltern brauchen, um leben, ja, überleben zu können. Nichts ist für uns schrecklicher gewesen als die Androhung unserer Eltern, sie würden uns nicht mehr lieb haben. Nichts versetzte uns mehr in Angst als die Drohung, sich von uns abzuwenden.
Jeden strafenden Blick und jede Zurechtweisung empfanden wir damals als Gefahr, als eine »tödliche« Gefahr.
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