Dr. Doris Wolf beantwortet Leserfragen zu seelischen Problemen und Lebenskrisen, etwa zum Umgang mit dem Gefühl der Trauer über den Tod einer Angehörrigen.
Ein Leser fragt:
Im Januar des Jahres verstarb meine Frau, mit der mich schöne gemeinsame Erinnerungen verbinden. Wir haben in dieser Zeit oftmals voneinander Abschied nehmen müssen, waren es gewissermaßen gewöhnt. Jetzt frage ich mich, ob ich am Grab meiner Frau Tränen vergießen muss?
Dr. Doris Wolf antwortet:
Aus Ihrer Frage zu schließen, nehme ich an, dass andere Menschen Ihnen vorwerfen, nicht oder zu wenig zu trauern. Oder aber Sie haben selbst die Vorstellung, dass man weinen sollte, wenn man einen nahestehenden Menschen verliert. In Wirklichkeit können wir die Liebe, die wir einer Person gegenüber empfinden, nicht durch Tränen und Trauer beweisen.
Unsere Liebe zeigt sich dadurch, was wir diesem Menschen zu seinen Lebzeiten an Gefühlen entgegenbringen und wie wir uns ihm gegenüber verhalten. Wenn wir ihn verlieren, dann trauert jeder von uns auf seine ganz persönliche Weise. Manche Menschen sind sehr verzweifelt und brechen immer wieder in Tränen aus. Andere sind nach außen hin sehr gefasst und machen ihre Trauer mit sich aus.
Außerdem durchlaufen wir alle ganz unterschiedliche Trauerphasen, bis wir wieder im Leben zurück sind. Deshalb sollten Sie sich nicht die Frage stellen, ob Sie weinen sollten oder nicht. Fragen Sie sich stattdessen, wie Sie sich fühlen und was Sie jetzt benötigen, um diese Krise durchstehen zu können.
Manche Menschen schreiben z. B. ihre Gedanken und Erinnerungen in einem Tagebuch nieder. Andere besuchen eine Selbsthilfegruppe, in der sie sich mit anderen Betroffenen austauschen können. Wie die Trauer erlebt wird, hängt von vielen anderen Faktoren ab. Wer wie Sie quasi schon darin trainiert ist, Abschied zu nehmen oder z.B. schon viele andere Menschen verloren hat, kann sich leichter damit tun, sich mit dem Verlust abzufinden.
Sie brauchen sich vor anderen Menschen auf jeden Fall nicht für die Art zu rechtfertigen, wie Sie trauern.
Das ist Ihre ganz private Sache. Umgeben Sie sich mit den Menschen, die Sie so annehmen, wie Sie sich im Augenblick fühlen.
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