Nicht immer ist Harmonie die beste Lösung. Wenn wir Streit ständig vermeiden, macht uns das auf Dauer nicht glücklich und wir können uns nicht weiterentwickeln. Wie du mit Konflikten und Harmoniesucht besser umgehst, erfährst du in diesem Beitrag.
Stell dir folgende Szene vor: Du bist mit deiner Freundin zum Abendessen verabredet und stehst pünktlich am vereinbarten Treffpunkt. Deine Freundin kommt nicht. Du wartest – 10 Minuten, 20 Minuten. Nichts passiert. Deine anfängliche Vorfreude auf das Treffen weicht Ärger. Endlich kommt eine kurze SMS: „Sorry, hab mich verquatscht und bin noch im Biergarten mit Stefan. Magst du zu uns kommen?! „Nein!“, schießt es dir ganz ungefiltert durch den Kopf. Doch fast automatisch tippen deine Finger die Antwort: „Ja, klar. Bin gleich da.“ Wieder hast du einen Konflikt vermieden. Aber ist das wirklich gut?
Harmonie ist ein wichtiges Grundbedürfnis für uns alle. Schließlich sind wir soziale Wesen, wir wollen uns verstanden, angenommen und geborgen fühlen. Und wenn es zum Beispiel im Job gerade hoch hergeht, ist ein harmonisches und ausgeglichenes Miteinander zum Beispiel in der Partnerschaft ein wichtiges Gegengewicht.
Manche Menschen aber haben so große Angst vor Konflikten, Streit oder Auseinandersetzungen, dass sie ihnen um jeden Preis aus dem Weg gehen. Diese Harmoniesucht ist eine ungesunde und schädliche Extremform unseres natürlichen Harmoniebedürfnisses.
Harmoniesüchtige Menschen passen sich an, sie wollen immer freundlich und hilfsbereit sein, versuchen, Streit sofort zu deeskalieren, indem sie zum Beispiel andere Menschen nicht kritisieren, auf Kompromisse eingehen oder zustimmen, obwohl sie eigentlich anderer Meinung sind. Dabei bleiben die eigenen Gefühle, Meinungen und Bedürfnisse auf der Strecke.
Der Grund für die Harmoniesucht liegt oft in der Angst vor Ablehnung. Und er hängt eng mit dem zusammen, was du in deiner Kindheit und Jugend von deinen Eltern und anderen engen Bezugspersonen über Konflikte gelernt hast. Hast du immer wieder erlebt, dass Konflikte trennen und verletzen, dass sie nur schwer auszuhalten sind, dann vermeidest du sie lieber. Es kommt ja nichts Gutes dabei raus. Da versuchst du doch eher, es allen recht zu machen, um bloß nicht anzuecken oder negativ aufzufallen.
Eine Weile klappt das sicher ganz gut. Der Preis aber, den du für die Harmonie bezahlst, ist hoch. Du verleugnest dich und deine Bedürfnisse. Das macht dich auf Dauer unglücklich und unecht. Und im schlimmsten Fall weißt du irgendwann gar nicht mehr, wer du eigentlich bist und was dir wichtig ist. Diese Wirkung setzt sich auch im Außen fort. Deine Mitmenschen nehmen dich nicht mehr ernst.
Harmoniesucht ist wie ein Eisberg: An der Oberfläche weiß und unschuldig, doch darunter lauert die Gefahr. Konflikte mit allen Mitteln zu vermeiden, klingt im ersten Moment freundlich und ausgleichend. Es trägt aber nicht wirklich zur Klärung bei. Denn „Friede, Freude, Eierkuchen“ lässt den Streit nur später eskalieren. Dann umso mehr. Aber es geht auch anders. Folgende Tipps helfen dir, wenn du zu sehr auf Harmonie programmiert bist.
Auseinandersetzungen, Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten gehören zum Leben. Ich meine das, und du meinst das. Beides ist in Ordnung. Wenn wir das beide erstmal so stehenlassen können und dann einen Weg finden, einander zu verstehen, können Konflikte auch verbinden. Dann bringen sie uns näher zusammen, anstatt uns zu trennen. Das wiegt so viel schwerer als vordergründige Harmonie.
Ein gewisses Maß an Harmonie im Leben zu haben, das ist sinnvoll und wichtig. Ganz egal, ob es den privaten oder beruflichen Bereich betrifft. Falls du aber den Eindruck hast, dass du einen zu hohen Preis für deine Sehnsucht nach Harmonie zahlst, kannst du schrittweise etwas dagegen tun.
Auseinandersetzungen gehören zum Leben. Sie sorgen für Entwicklung und sind da, um ausgetragen zu werden. Vermeidung ist kein „natürlicher“ Umgang mit Konflikten. Beim Radfahren kannst du ja auch nicht jedem Feldweg ausweichen, nur weil deine Reifen nicht dafür ausgelegt sind. Was du über Konflikte gelernt hast, muss sich nicht zwangsläufig in deinem Leben wiederholen. Du darfst deine eigenen Erfahrungen machen – also lass Konflikte zu. Sie wirksam lösen zu können, das macht dich innerlich frei und stärkt deine Beziehungen. Die oder der andere weiß um deine Bedürfnisse und kann sich gegebenenfalls danach richten. Und nach einem reinigenden Gewitter sind die Interessen und Fronten klar und jede:r weiß, woran sie oder er ist.
Sei ehrlich zu dir und hinterfrage deine Glaubenssätze und Denkmuster: Was ist dein guter Grund, weshalb du Konflikten aus dem Weg gehst? Was lässt dich glauben, dass du für deine Meinung abgelehnt werden könntest? Was würdest du gerne sagen oder tun, um dich zu zeigen? Wenn du diese Fragen für dich beantwortest – ohne dich zu verurteilen – kannst du dich und deine Beweggründe besser verstehen.
Du bist okay und dein Gegenüber ist es auch. Keine und keiner hat mehr oder weniger Recht, Wünsche zu äußern und Interessen zu vertreten. Um mit Konflikten gelassener umgehen zu können, ist es hilfreich, zwischen unserer Person und dem Konflikt zu unterscheiden. Denn dieser fühlt sich vielleicht gefährlich an, eine wirkliche Bedrohung für dich als Person ist er aber nicht. Auch wenn dein Gegenüber nicht einverstanden ist mit deiner Meinung oder deinem Verhalten, heißt das nicht automatisch, dass du als Person nicht in Ordnung bist.
Wenn du dir zunächst die innere Freiheit gibst, dich anders zu verhalten als bisher, kommst du nach und nach in Kontakt mit deinen Bedürfnissen. Am Anfang fühlt sich das vielleicht etwas komisch an, doch mit der Zeit lernst du, Worte zu finden für das, was du willst oder auch nicht willst. Dann sprich diese Worte aus. Das kann am Anfang ganz für dich allein sein. Oder in Situationen, die nicht so schwierig zu lösen sind.
So veränderst du nach und nach den Fokus deiner Aufmerksamkeit. Weg vom ewigen Rechtmachen hin zu deinem inneren Maßstab als Richtschnur. Und irgendwann sind Konflikte nicht mehr bedrohlich, sondern ganz normal – als Würze deines Lebens.
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