Vorurteile sind gelernt

Vorurteile gegenüber Ereignissen, Dingen und vor allem auch Menschen schützen uns zunächst. Sie verhindern aber auch, dass wir uns ändern, und so in negativen Gefühlen gefangen bleiben. Dieser Beitrag zeigt Ursachen und Lösungsansätze für einen guten Umgang mit Vorurteilen.

Vorurteile sind gelernt
© PAL Verlag, unter Verwendung eines Fotomotivs von unsplash.com

Vorurteile sind vorgefasste Meinungen oder Erwartungen über eine Sache, über Ereignisse oder über Menschen. Wir alle haben Vorurteile, die wir von unseren Eltern übernommen haben oder die wir uns im Laufe unseres Lebens – vielleicht aufgrund bestimmter Erfahrungen – angeeignet haben. Vorurteile sind Kategorisierungen und Annahmen über das Verhalten von Menschen, denen wir begegnen. Die Fähigkeit zur Bewertung eines Menschen oder einer Situation vorab, ohne umfassende Informationen oder Kenntnis,  ist in unserer Psyche angelegt und soll uns Schutz und Sicherheit für Entscheidungen geben. Wie unsere Urteile ausfallen, haben wir im Lauf unseres Lebens von unserem sozialen Umfeld gelernt. Problematisch werden Vorurteile vor allem, wenn sie uns dabei hindern, uns auf positive Weise zu entwickeln, oder uns dazu bringen, unser Gegenüber zu diskriminieren.

Warum Vorurteile auch ihre Berechtigung haben

Verallgemeinerungen bestimmen unser Denken seit jeher. Stereotypisierungen (also die Einordnung eines Individuums in eine Gruppe), Klischees über Aussehen und Verhalten – wir haben sie ständig im Kopf. Und das ist durchaus sinnvoll. Wir brauchen Vorurteile. Vorurteile sind wichtig für uns, um unser Leben souverän führen und Entscheidungen treffen zu können, um einzuordnen, zu sortieren und uns Orientierung zu verschaffen.

Ohne Vorurteile – so die Evolutionsbiologie – hätten die Menschheit nicht überlebt. Warum? Weil Vorurteile eine blitzschnelle Einschätzung unserer Umgebung in gefährlich oder ungefährlich, förderlich oder hinderlich, gut oder schlecht ermöglichen.

Vorurteile schützen uns also und geben uns gleichzeitig Orientierung. Sie lassen uns misstrauisch sein gegenüber Fremden und Feinden, erzeugen ein Unbehagen und Unwohlsein. So wissen wir, von wem oder was wir uns lieber fernhalten sollten. Besonders schnell und besonders große Vorurteile haben wir, wenn wir jemandem oder etwas begegnen, der oder das fremd oder neu für uns ist. Laut Evolutionsbiolog:innen ist diese skeptische Haltung gegenüber Fremdem und Neuem tief in uns verwurzelt, ihre Ausprägungen jedoch sind angelernt.

Unsere Vorfahren in Afrika lebten in kleinen Gruppen zusammen. Der Zusammenhalt in der Gruppe war für das Überleben sehr wichtig. Fremde Clans und Gruppen wurden als potenziell gefährlich angesehen, weil diese der eigenen Gruppe schaden konnten. Vorurteile gegenüber den Fremden steigerte die Überlebenschance der eigenen Gruppe. Die gleiche Skepsis galt aber auch gegenüber fremden Pflanzen und Tieren, neuen Wegen oder Regionen, nicht gekannten Naturphänomenen etc.

Auswirkungen von Vorurteilen

Das Problem dabei ist: Haben wir uns einmal ein Vorurteil über eine Sache oder einen Menschen gebildet, dann werden wir es nicht mehr so schnell los. Es beeinflusst unser Verhalten, unsere Wahrnehmung und unsere Erfahrungen und wir werden immer wieder Gründe finden, die es bestätigen. Vorurteile lenken so unsere Aufmerksamkeit und wirken wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Wenn wir Vorurteile entwickelt haben wie "Die Jugend ist faul", "Ältere Menschen können nicht mit Technik umgehen" oder "Alle blonden Frauen sind naiv", dann werden wir das vermeintlich immer wieder bestätigt bekommen, weil wir verstärkt die Äußerungen von Jugendlichen, älteren Menschen oder blonden Frauen registrieren, die in unseren Augend "arbeitsverweigernd", "technikablehnend" und "naiv" sind.

Die Gegenbeispiele, also Schilderungen über engagierte, hilfsbereite und zielstrebige Jugendliche, über technikbegeisterte und internetaffine Ältere oder die klugen Kommentare blonder Frauen nehmen wir dagegen nicht so stark wahr. Und wir merken sie uns auch nicht so lange. Was im Gedächtnis haften bleibt sind die negativen Kommentare, die uns in unserem jeweiligen Vorurteil bestätigen.

Und natürlich hat dieses Vorurteil Auswirkungen auf unser Verhalten gegenüber Jugendlichen, Älteren oder blonden Frauen. Wir begegnen ihnen womöglich abschätzig, geben ihnen keine Chance, uns vom Gegenteil überzeugen und unserem Vorurteil den Boden zu entziehen. Das kann dazu führen, dass wir diese Personen diskriminieren, auch öffentlich, weil wir uns so Mitstreiter suchen, die unsere Vorurteile bestätigen und bekräftigen. So entstehen auch Narrative, also fiktive Geschichten, die zwar nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben, aber so oft erzählt werden, dass man ihnen am Ende glaubt. Ein Teufelskreis!

Vorurteile gegenüber uns selbst

Deshalb werden Vorurteile selten revidiert und halten sich hartnäckig. Folgen wir unseren Vorurteilen, dann sehen und hören wir nur das, was wir sehen und hören wollen. Alles, was nicht in unser Weltbild passt, blenden wir (bewusst und unbewusst) aus.

So geht es uns nicht nur mit Vorurteilen anderen gegenüber, sondern auch mit Vorurteilen, die wir über uns selbst haben. Wenn wir uns für schwach und unfähig halten, dann sehen wir nur unsere Misserfolge und Fehler. Alles, was uns gelingt, blenden wir aus und fühlen uns in unserem Urteil über uns bestätigt.

So berauben wir uns der Chance, positive Erfahrungen zu machen oder tatsächlich positive Erfahrungen als solche wahrzunehmen. Dadurch schaffen wir es auch nicht, uns eine gute Meinung über uns selbst bilden.

So kannst du in vier Schritten deine Vorurteile zu überwinden

Wichtig ist, dass du mit deinen Vorurteilen umgehen lernst.

Schritt 1: Identifiziere deine Vorurteile

Hinterfrage dazu regelmäßig dein Verhalten und deine Gewohnheiten: Warum mache ich dies und jenes? Was hält mich davon ab, es anders zu machen? Warum ist mir diese Kollegin sympathisch und die andere nicht? Warum gehe ich nur zum Supermarkt in der Stadt und nicht zu dem neuen in meiner Nachbarschaft? Warum mag ich nur dieses Café und nicht das andere?

Schritt 2: Überprüfe dein Vorurteil auf seine Berechtigung hin

Dazu kannst du dich fragen, woher bzw. von wem diese Meinung kommt und wann du sie das erste Mal gehört hast. Dann frage dich, ob sie für dich einen bestimmten Zweck erfüllt. Fühlst du dich sicherer mit diesem Vorurteil? Dann frage dich, ob sich dein Vorurteil empirisch beweisen lässt. Schließlich kannst du den Spieß umdrehen und dich fragen, was sich für dich ändern würde, wenn du das Vorurteil nicht hättest.

Schritt 3: Begegne aktiv deinem Vorurteil

Vielleicht kennst du dieses Verfahren aus der Konfrontationstherapie gegen Ängste. Die Wirkung ist ähnlich. Bringe dich in Situationen, gegen die du ein Vorurteil hast. Schaffe etwa Begegnungen mit Menschen oder begib dich an Orte, gegen die du ein Vorurteil hast. Und dann nimm wahr, was geschieht. Wiederhole diese Aktion und prüfe, wie sich deine Wahrnehmung verändert. 

Schritt 4: Überschreibe deine Vorurteile

Suche bewusst nach schönen Momenten und Erfahrungen, nach positiven Erlebnisse und Assoziationen. So schaffst du neue, starke Bilder und Verknüpfungen in deinem Kopf, die deine Vorurteile verdrängen. Dieser Schritt ist der schwerste und braucht Geduld, Übung und Nachsicht, falls du zwischendurch wieder in alte Denkmuster verfällst. Bleib dran. Es lohnt sich. Ein Leben mit weniger Vorurteilen gibt dir mehr innere Zufriedenheit

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Inhalt des Beitrags 
 Warum Vorurteile auch ihre Berechtigung haben
 Auswirkungen von Vorurteilen
 Vorurteile gegenüber uns selbst
 So kannst du in vier Schritten deine Vorurteile zu überwinden
 Inspirationen zum Thema Vorurteile
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