Forever young – willst du wirklich für immer jung bleiben? – #105

In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" zeigt Gert Kowarowsky, wie wir es schaffen, innerlich nicht zu "verstauben".

Forever young – willst du wirklich für immer jung bleiben? – #105
© PAL Verlag, unter Verwendung einer Illustration von Christina von Puttkamer

Was hält eigentlich seelisch und geistig jung bis ins hohe Alter? Genau diese Frage stellen mir viele – und nicht nur ältere –Patientinnen und Patienten.

„Alter“, so sage ich ihnen dann, „ist nicht nur eine Zahl, sondern vor allem ein Zustand des Geistes und der Seele. Genau wie Sie, wünschen sich viele Menschen, vereinfacht ausgedrückt, forever young, also bis ins hohe Alter gesund, glücklich und aktiv zu bleiben.“ Doch wie kann man das erreichen? Gibt es ein Geheimnis, das uns vor dem geistigen Altern bewahrt?

Diese 4 Faktoren sind wichtig für unsere seelische Gesundheit

Tatsächlich gibt es einige Faktoren, die einen positiven Einfluss auf unsere geistige und seelische Gesundheit haben:

1. Faktor: Körperliche Aktivität

Regelmäßige Bewegung fördert nicht nur die körperliche Fitness, sondern auch die Durchblutung des Gehirns, die Sauerstoffversorgung der Zellen und die Ausschüttung von Glückshormonen. Außerdem kann Sport helfen, Stress abzubauen, das Immunsystem zu stärken und chronischen Krankheiten vorzubeugen.

2. Faktor: Soziale Kontakte 

Der Mensch ist ein soziales Wesen, das auf Kommunikation, Austausch und Zugehörigkeit angewiesen ist. Pflegen wir gute Beziehungen zu Familie, Freund:innen und Nachbar:innen, fühlen wir uns geborgen, liebenswert und wertgeschätzt. Das stärkt unser Selbstwertgefühl, unsere Lebensfreude und unsere Resilienz.

3. Faktor: Geistige Herausforderungen

Unser Gehirn braucht ständig neue Anreize, um sich zu entwickeln und zu erhalten. Lernen wir etwas Neues wie eine Sprache, ein Instrument oder ein Hobby, trainieren wir unsere kognitiven Fähigkeiten, unsere Kreativität und unsere Flexibilität. Außerdem erweitern wir unseren Horizont, unser Wissen und unsere Interessen.

4. Faktor: Positive Einstellung

Unsere Gedanken und Gefühle beeinflussen unsere Wahrnehmung der Welt und unser Verhalten. Wenn wir optimistisch, dankbar und humorvoll sind, können wir besser mit Schwierigkeiten umgehen, Chancen erkennen und Lösungen finden. Außerdem strahlen wir eine positive Energie aus, die andere anzieht und inspiriert und somit wiederum unsere sozialen Kontakte bereichert.

Besonders oft betone ich in den Sitzungen den Faktor Neotenie – kindlich gesundes, offenes, erforschendes Neugierverhalten. Wer sich dies bis ins hohe Alter aufrechterhalten kann, hat einen der wirkungsvollsten Faktoren für Langlebigkeit, geistige Klarheit, Kreativität und Gesundheit an Bord. Meine Erfahrungen mit Menschen in höherem Lebensalter bestätigen dies in der Praxis immer wieder.

Elsa zum Beispiel kam letzte Woche mit ihren 67 Jahren strahlend zur Therapiestunde und verkündete:

„Jetzt bin ich in der Neuzeit angekommen! Nach einem Einführungskurs an der Volkshochschule zum Gebrauch des Smartphones, das mir meine Kinder zum 65. Geburtstag geschenkt haben, habe ich mir jetzt auch noch einen Laptop zugelegt und einen Internetanschluss. Auch hierfür habe ich mir einen Einführungskurs gegönnt. Ich fühle mich jetzt viel wacher und klarer, seitdem ich jeden Tag zwei Stunden digital in der Welt unterwegs bin. Und interessanterweise habe ich jetzt auch Lust, an dem Kurs in Gebärdensprache teilzunehmen, den die Diakonie anbietet und um den ich schon seit mindestens zehn Jahren herumschleiche.“

Wie schaffen wir es, nicht innerlich zu verstauben?

Es geht ganz sicher nicht darum, für immer unverändert jung bleiben zu wollen. Sondern es geht darum, nicht innerlich zu verstauben. Es geht darum, nicht unflexibel, verschlossen, uninteressiert und entwicklungsunwillig zu werden. Es geht um deine Entscheidung, dem Fluss des Lebens mit all seinen Stromschnellen, Wasserfällen und gemächlichen Abschnitten zu folgen. Es geht darum, neugierig, lernbereit und offen zu bleiben für Neues.

Was genau bedeutet das nun für dich? Beobachte einfach mal die nächsten 14 Tage, was im Alltag auf dich zukommt, was dich anspricht, wobei du einen positiven Impuls verspürst: „Oh ja, das wäre was für mich, oh ja, hier hätte ich Lust, tiefer einzusteigen, oh ja, darüber möchte ich gerne mehr erfahren.“

Und dann packe es an! Sei neugierig. Erlaube dir Anfängergeist. Erlaube dir zu experimentieren. Auch wenn es mal daneben geht, verbuche es einfach als Erfahrung anstatt Offenbarung. Lernen bedeutet schließlich nicht, immer von Erfolg zu Erfolg zu gehen, sondern im intensivsten Fall von Fehler zu Fehler zur Meisterschaft zu gelangen. Den Gewinn neuronaler Aktivierung, die Zunahme deiner Neuroplastizität durch Ausprobieren und Üben kann dir niemand mehr nehmen.

Der Jungbrunnen in dir sprudelt umso lebendiger, je mehr du dich mit Dingen beschäftigst, die dir guttun. Und wenn diese Bereiche auch noch in Verbindung mit anderen Menschen erkundet werden, die sich für die gleichen Themen begeistern, steht deiner dauerhaften geistigen und seelischen Gesundheit sowie deiner Lebensfreude nichts mehr im Wege.

Grundlage für all dies ist in jeder Lebensphase eine gesunde Ernährung und genug Schlaf. Wenn du dich frisch und wohlfühlst in deinem Körper, bist du geistigen und körperlichen Herausforderungen besser gewachsen und hast mehr Freude an deinen sozialen Kontakten. Eine positive Grundschwingung stellt sich dann fast schon von alleine ein.

Wichtig ist, dass du dich selbst gut kennst, akzeptierst und liebst, und dass du dein Leben für dich selbst sinnvoll und erfüllend gestaltest. Dann wirst du – egal in welchem Alter du gerade bist – wachsen, reifen, genießen und dich lebendig fühlen.

Forever young zu sein – geistig und seelisch – ist tatsächlich bis ins hohe Alter möglich.

Genieße deine Neugier, genieße deine sozialen Kontakte, genieße dein Leben!

Dein

Gert Kowarowsky

Erfahrungen aus der Praxis …

… ist die psychotherapeutische Kolumne mit Inspirationen für deine Lebensgestaltung und den Umgang mit schwierigen Lebensthemen. Du findest alle Teile der Kolumne und mehr über den Autor Gert Kowarowsky hier.

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