In diesem Beitrag aus der Reihe "Erfahrungen aus der Praxis" zeigt Gert Kowarowsky, wie du die Angst vor Ablehnung und vor der Bewertung durch andere überwinden und dein Selbstbewusstsein stärken kannst.
"Born to be myself", so lautet der Text auf einer von meinen vielen Postkarten, die auf einem Ständer in meinem Therapiezimmer stehen. Ich nenne sie "Textpillen" und gebe sie immer dann an Patientinnen und Patienten aus, wenn sie genau das treffend auf den Punkt bringen, woran wir gerade arbeiten. Auf der besagten Textpillen-Postkarte ist ein Kanarienvogel mit Tigerkopf zu sehen.
Wie anders solltest du auch sein als genauso, wie du bist?
Eine andere Textpillen-Postkarte formuliert diese Aussage noch drastischer, mit einem Ausspruch des Sängers Kurt Cobain:
"Es ist besser, für das gehasst zu werden, was du wirklich bist, als für etwas geliebt zu werden, was du nicht bist."
Dem Thema Ganz entspannt du selbst sein widmen sich auch drei weitere meiner Textpillen-Postkarten mit Aussagen, die du sicher schon einmal irgendwo gelesen oder gehört hast, nämlich:
"Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert."
Und
"Andere dürfen mit mir unzufrieden sein, davon geht die Welt nicht unter."
Und
"Allen Menschen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann."
Anja brachte es in ihrer ersten Therapiestunde auf den Punkt: "Ich bin mir bewusst, dass ich in einer Welt lebe, die zunehmend von sozialen Medien und öffentlicher Wahrnehmung dominiert wird. Die Frage, was andere von mir denken, ist deshalb heute für mich noch viel größer als je zuvor. Und natürlich habe ich immer Angst, dass die anderen schlecht über mich denken."
Tatsächlich läuft ein Großteil unserer Erziehung darauf hinaus, uns an gesellschaftliche Normen und Erwartungen anzupassen. Du lernst meist schon ziemlich früh, dass gemocht und respektiert zu werden zu vielen Vorteilen führt. Gleichzeitig ist es auch ein natürliches Bedürfnis, geliebt und wertgeschätzt zu werden.
Problematisch wird es immer dann, wenn dieses menschliche Grundbedürfnis dazuzugehören und geliebt werden zu wollen zu einer Abhängigkeit von der Meinung der anderen führt. Dann machst du dir ständig und übermäßig Sorgen darüber, wie andere dich wahrnehmen und was sie über dich denken. Diese Sorge kann zu einer regelrechten Angst führen, die dein Selbstwertgefühl beeinträchtigt, und die dich dazu verleiten kann, ständig auf der Suche nach Bestätigung und Anerkennung zu sein oder aber dich zurückzuziehen und dich zu isolieren.
Anja erkannte recht schnell, dass es nicht darum geht, diese Angst vor der Bewertung durch andere zu unterdrücken oder zu versuchen, sie durch "Hochnäsigkeit" zu überspielen, sondern darum, den Scheinwerfer der Aufmerksamkeit neu auszurichten.
Letztendlich wird alles, was du tust und sagst, von manchen Menschen geschätzt, von anderen jedoch abgelehnt. Und manche Menschen werden davon keinerlei Notiz nehmen. Daher geht es vor allem darum, dir selbst klar zu werden, was DU möchtest, was DU gut findest, was DEINE eigenen Werte und Überzeugungen sind.
Indem du dir bewusst machst, was DIR wirklich wichtig ist, kannst du beginnen, dein Verhalten und deine Entscheidungen an diesen Werten auszurichten, anstatt dich von deinen Katastrophenfantasien leiten zu lassen, was die anderen wohl Negatives denken könnten über das, was du sagst oder tust. Der Tipp, nicht alles zu glauben, was du denkst, ist hier sicherlich sehr hilfreich.
Anja wurde im Verlauf unserer Gespräche immer deutlicher, dass Selbstbewusstsein etwas anderes ist als der ängstliche Blick auf die "Börsenplatzierung deiner Wertaktien" bei den anderen. Früher stieg ihr Selbstbewusstsein, wenn sie von anderen hoch angesehen wurde. Ihr Selbstbewusstsein fiel aber auch jedes Mal in den Keller, wenn das nicht der Fall war.
"Ich verstehe jetzt", sagte sie in einer Sitzung, "dass Selbst-Bewusstsein bedeutet, wie das Wort schon sagt, ein Bewusstsein meines Selbst zu haben. Bei Safi Nidiaye habe ich eine Formulierung gelesen, die mir immer wieder durch den Kopf geht, wenn ich erneut dabei bin, mich selbst abzuwerten, wenn ich in den Augen der anderen mal wieder nicht so oder so bin:
„Das Sein selber ist das Wunderbare, nicht das „Dies-“ oder „Das“-Sein.“
Neben der neuen Gewohnheit, sich jeden Tag morgens und abends 15 Minuten Zeit für Stille und Selbstrückbezug zu nehmen, Zeit dafür, in sich, bei sich, in Sicherheit in sich zu sein, erstellte Anja eine Liste von Situationen und Verhaltensweisen, die sie in den letzten Monaten aus Angst vor negativer Bewertung durch andere mehr und mehr vermieden hatte. Sie beschloss, sich ganz bewusst in genau solche Situationen zu begeben und wieder das zu tun, was ihr guttut, anstatt sie aus Angst zu vermeiden.
Die Angst davor, was andere wohl Negatives über uns denken könnten, ist ein weit verbreitetes Phänomen, das tief in unserer sozialen Natur verwurzelt zu sein scheint. Selbst Stars wie Julia Roberts, Elton John und Adele sprachen in Interviews offen darüber, wie sehr sie damit zu kämpfen hatten. Dennoch ist es möglich, diese Angst zu überwinden. Auch dir ist das möglich.
Anstatt ständig besorgt zu sein, was andere über dich denken könnten, kannst du dich entschließen, an deinem Selbst-Bewusstsein zu arbeiten.
Zum Abschluss ihrer Therapie fasste Anja für sich zusammen, was ihr am meisten dabei geholfen hatte, ihre Angst vor der Bewertung durch andere, ihre Sozialphobie zu überwinden:
"Was mir hilft, sich nicht ständig einen Kopf zu machen, was andere über mich denken, ist: Ich nehme mir jeden Tag Zeit für Stille, Zeit für Selbstrückbezug. Ich nehme mir immer wieder Zeit dafür, mir Klarheit darüber zu verschaffen, was ich möchte und was nicht, und was meine Werte sind. Und ich entschließe mich immer wieder erneut dazu, Vermeidung zu vermeiden.
Sehr hilfreich sind mir dabei auch die Textpillen an meiner Pinnwand, die ich mir immer wieder genüsslich und mit einem großen inneren JA zu Gemüte führe:
"Born to be myself."
"Es ist besser, für das gehasst zu werden, was du wirklich bist, als für etwas geliebt zu werden, was du nicht bist." (Kurt Cobain)
"Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich ganz ungeniert."
"Andere dürfen mit mir unzufrieden sein, davon geht die Welt nicht unter."
"Allen Menschen recht getan ist eine Kunst, die niemand kann."
"Glaub nicht alles, was du über dich denkst!"
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." (Sören Kierkegaard)
Viel Freude an deiner neuen Freiheit, einfach du selbst zu sein, wünscht dir
Dein
Gert Kowarowsky
… ist die psychotherapeutische Kolumne mit Inspirationen für deine Lebensgestaltung und den Umgang mit schwierigen Lebensthemen. Du findest alle Teile der Kolumne und mehr über den Autor Gert Kowarowsky hier.
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mir hat es in meiner ganzen Kinder-und Jugendzeit bis in die 30iger Jahre immer an Selbstbewußtsein gefehlt.Bin eine falsche Ehe eingegangen mit einem Alkoholiker,ich bin aufgewacht und habe mir gesagt,so kann es nicht weitergehen,habe mich von meinem Mann getrennt,er nahm sich das Leben.Wieder war ich jahrelang in der Schuldenfalle,bis mich mehrere Terapien herausgeführt haben.Meine zweite Ehe war auf Augenhöhe und bin nun fast 50 Jahre verheiratet.Nun ist mein Mann gestern verstorben und ich bin froh,dass wir so ein glückliches,auch mit Höhen und Tiefen,Leben geführt haben.