Woher kommen Schuldgefühle und was löst sie aus? Dieser Beitrag stellt einen Auszug aus Kapitel 1 des Ratgebers "Wenn Schuldgefühle zur Qual werden" von Doris Wolf vor.
Der folgende Auszug aus dem Ratgeberbestseller "Wenn Schuldgefühle zur Qual werden" ist im Original in der förmlichen Sie-Anrede verfasst. Wir haben den Text in dieser Form belassen.
In diesem Kapitel ist es unser Ziel zu ergründen, woher Schuldgefühle kommen und was löst sie aus? Was unterscheidet Schuld- von Reuegefühlen? Die meisten von uns glauben zu wissen, weshalb sie Schuldgefühle quälen. Etwa weil sie Regeln gebrochen oder einen anderen Menschen verletzt haben. Doch warum leiden dann unterschiedliche Menschen in genau der gleichen Situation nicht unter denselben Schuldgefühlen? Es lohnt sich, genauer auf die Ursachen zu sehen.
Dazu vorab ein Fallbeispiel:
"Ich hätte nicht so egoistisch sein sollen!"
Gerade hat Helena den Telefonhörer aufgelegt. Ihre Freundin bat sie, ihr beim Umzug zu helfen. Helena hat zwar innerlich mit sich gerungen, der Freundin dann letzlich doch abgesagt, mit der Entschuldigung, dass sie genau an diesem Tag einen dringenden Arzttermin hätte. Jetzt fühlt sie sich elend und voller Schuldgefühle. Sie zermartert sich den Kopf: Sieht eine wirkliche Freundschaft so aus, dass sie die Freundin in einer schwierigen Lage im Stich lässt? Hätten sie nicht doch eigene Interessen zurückstellen und weniger egoistisch sein sollen?
Waren Sie auch schon einmal in einer solchen Situation? Haben Sie sich auch schon einmal schlecht gefühlt, weil Sie einem anderen Menschen den Wunsch auf Hilfe abgeschlagen haben, um eigene Bedürfnisse zu erfüllen? Und hinterher kamen Ihnen dann gehörige Zweifel an der Richtigkeit Ihres Verhaltens? Dann wissen Sie, wie sich Ihre Schuldgefühle bemerkbar machen.
Doch zurück zum Ausgangspunkt: Was wird allgemein und in der Wissenschaft eigentlich unter Schuld und Schuldgefühlen verstanden?
Verschiedene Quellen führen unter dem Begriff Schuld folgende Definitionen auf auf: "Verpflichtung zu einer Gegenleistung", "Verantwortung für die Verletzung von Geboten und Pflichten". Irgendjemand scheint für uns Regeln zu formulieren und zu entscheiden, wann eine Leistung eine Gegenleistung erforderlich macht. Schuld zu haben, hat mit Verantwortung zu tun, der Verantwortung für das eigene Handeln und die Verpflichtung, für das eigene Handeln geradezustehen und einen eventuellen Schaden wiedergutzumachen.
In unserer Sprache finden wir Redewendungen wie: "Ich stehe in deiner Schuld". "Ich fühle mich frei von Schuld." "Ihn trifft keine Schuld". "Ich bin mir keiner Schuld bewusst". Um von Schuld einem anderen gegenüber sprechen zu können, muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln und einem Schaden bestehen, den ein anderer erlitten hat.
Je nachdem, wer die Gebote und Pflichten formuliert, folgen der Schuld unterschiedliche Konsequenzen. Übertreten wir die Gesetze unseres Staates, so müssen wir mit Strafe durch den Gesetzgeber rechnen. Wir werden schuldig gesprochen und im Namen des Staates verurteilt. In manchen Ländern besteht die Höchststrafe auch heute noch in der Todesstrafe. Sind wir Mitglied einer kirchlichen Organisation, so sind beispielsweise die "Zehn Gebote" eine Richtschnur, anhand derer unser Verhalten beurteilt wird. In diesem Leben oder zumindest nach unserem Tode erwarten uns dann ebenfalls Konsequenzen, wenn wir ihnen zuwiderhandeln.
Ob jemand schuldig gesprochen wird, hängt auch davon ab, ob zum Zeitpunkt der Verurteilung alle Tatsachen über die Tat bekannt waren und ob das Verhalten zu diesem Zeitpunkt als falsch bewertet wurde. Ein manches Verhalten stellt sich sogar erst Generationen später als falsch und schädlich heraus.
Schuldgefühle werden definiert als: "Gefühle, jemanden Unrecht getan zu haben". Sie laufen im Innern von uns ab und sind nicht von außen kontrollierbar. Außerdem setzen sie voraus, dass wir ein Unrechtsbewußtsein haben, Bescheid wissen, was rechtes und unrechtes Verhalten beinhaltet, und erkennen, unrecht gehandelt zu haben. Schuldgefühle werden häufig auch mit der Redewendung "ein schlechtes Gewissen haben" umschrieben. Schuld und Schuldgefühle müssen nicht zwangsläufig zusammen auftreten.
Es gibt Menschen, die fühlen sich für alles und jedes schuldig, obwohl sie keine Schuld trifft. Und es gibt Menschen, beispielsweise manche Kriminelle und Psychopathen, die keinerlei Schuldgefühle verspüren, obwohl sie sich eines schweren Vergehens schuldig gemacht haben. Sie fühlen sich nicht in die Folgereaktionen ein, die sie beim anderen ausgelöst haben, ein, und haben kein Mitgefühl.
Viele Menschen setzen Schuld- und Reuegefühle gleich. Doch gibt es zwischen beiden Unterschiede, die ich mit Ihnen im Verlauf des Buches herausarbeiten möchte.
Während Schuldgefühle uns quälen, lähmen, unsere gesamte Energie aufbrauchen können, fühlen wir uns mit Reuegefühlen in der Lage, aktiv zu werden. Wir behalten unsere Selbstachtung.
Schuldgefühle können sich ganz vielfältig äußern, beispielsweise durch Magendruck, innere Unruhe, bisweilen Einschlafstörungen und manchmal auch durch ein gesteigertes Verlangen nach Süßem. In der Umgangssprache werden Schuldgefühle auch als "Gewissensbisse" bezeichnet. In diesem Wort kommt gut die Giftigkeit, das Quälende der Schuldgefühle zum Ausdruck. Schuldgefühle können für einen Menschen so quälend sein, dass er seine Lebensfreude, sein Interesse an der Umwelt vollkommen verliert und sogar Selbstmord begeht.
Jeder Mensch hat ganz spezifische Signale, die ihn auf Schuldgefühle aufmerksam machen. Schuldgefühle können sich zeigen:
An dieser Aufzählung wird deutlich, dass es keine typischen Merkmale für Schuldgefühle gibt. Stattdessen schlagen sie sich in unterschiedlichen Gefühlen, Körperreaktionen und Verhaltensweisen nieder.
Schuldgefühle sind im Grunde genommen keine richtigen Gefühle wie etwa Angst, Ärger, Trauer oder Freude. Sie sind eher Gedanken darüber, etwas falsch gemacht zu haben, die sich dann in Gefühlen und körperlichen Reaktionen äußern. Um so schwieriger ist es deshalb, Schuldgefühle überhaupt zu erkennen. Manchmal sind wir uns unserer Schuldgefühle gar nicht bewusst. Wir fühlen uns einfach nur schlecht oder stürzen uns ohne Unterlass in Arbeit.
Viele Menschen kommen wegen ihrer körperlichen Symptome oder selbstschädigender Verhaltensweisen in Therapie und erst im Laufe von Gesprächen stellt sich heraus, dass die Ursachen in Schuldgefühlen zu suchen sind. Natürlich variieren Schuldgefühle auch in ihrer Stärke und Dauer. Wenn wir einen Geburtstag vergessen haben, werden wir uns vielleicht nur ein paar Minuten mit Schuldgefühlen beschäftigen.
Haben wir unsere Mutter im Pflegeheim untergebracht, werden uns die Schuldgefühle möglicherweise bis zum Tod der Mutter begleiten. Wurde durch unsere Schuld ein anderer Mensch bei einem Autounfall schwer verletzt, können uns Schuldgefühle sogar bis zum Selbstmord treiben.
Mehr dazu im Ratgeber Schuldgefühle
Kapitel 3 Sind Schuldgefühle berechtigt?
Kapitel 5 Welche Menschen sind besonders empfänglich für Schuldgefühle?
Kapitel 11 Schuldgefühle und Sexualität
Lust auf mehr positive Denkanstöße in Beiträgen, Podcasts, Videos und Lebensweisheiten? Bestelle den kostenlosen PAL-Newsletter und werde eine oder einer von 40.000 Abonnenten.
PAL steht für praktisch anwendbare Lebenshilfe aus der Hand erfahrener Psychotherapeuten und Coaches. Der Verlag ist spezialisiert auf psychologische Ratgebertexte für psychische Probleme und Krisensituationen, aber auch auf aufbauende Denkanstöße und Inspirationen für ein erfülltes Leben. Alle Ratschläge und Tipps werden auf der Grundlage der kognitiven Verhaltenstherapie, der Gesprächstherapie sowie des systemischen Coachings entwickelt. Mehr zu unserer Arbeit und Methodik hier
PAL Verlagsgesellschaft GmbH
Rilkestr. 10, 80686 München
Tel. für Bestellungen: +49 89/ 901 800 68
Tel. Verlag: +49 89/379 139 48
(Montag–Freitag, 9–13 Uhr)
E-Mail: info@palverlag.de
psychotipps.com
partnerschaft-beziehung.de
lebensfreude-app.de
praxis-und-beratung.de
Hinterlasse einen Kommentar und helfe anderen mit deiner Erfahrung.