Spezifische Phobien

Informationen der Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf zu den Ursachen Symptomen und der Behandlung spezifischer Phobien.

Spezifische Phobien
© Michael Podger, unsplash.com

Wir kennen über 250 spezifische Phobien. Es gibt fast nichts, was nicht Thema einer Phobie sein kann. In Deutschland leiden 6,9 Millionen Menschen unter einer spezifischen Phobie.

Wenn wir unter einer spezifischen oder isolierten Phobie leiden, dann haben wir intensive andauernde Furcht vor einer ganz bestimmten Situation oder einem ganz bestimmten Objekt und den Drang, diese spezielle Situation oder das Objekt zu meiden. 

Allerdings können wir auch mehrere unterschiedliche spezifische Phobien gleichzeitig haben. Die Angst bezieht sich häufig auf Tiere, Vögel, Insekten, geschlossene Räume, Geräusche, tiefe Wasser, Urinieren und Stuhlgang auf öffentlichen Toiletten, bestimmte Speisen, Höhen, Donner, Dunkelheit, Flüge, Fahrstühle, Tunnel, Anblick von Blut, Schmutz und Verletzungen, Injektionen, Arztbesuche, Prüfungen, Erröten.

Um der Angst zu entgehen, vermeiden wir diese Situationen oder Objekte. Uns ist bewusst, dass unsere Angst übertrieben ist, aber wir können sie dennoch nicht überwinden. 

Wie äußert sich eine spezifische Phobie?

Die spezifische Phobie äußert sich wie jede Angst in den 4 Bereichen Denken, Fühlen, körperlichen Reaktionen und Verhalten.

Unsere Gefühle

  • Starke, anhaltende und unangemessene Angst
  • Die Angst wird größer, je näher wir der Situation oder dem Objekt kommen

Unsere Gedanken

  • Wir sind überachtsam und konzentrieren uns darauf, dass wir dieser Situation oder dem Objekt nicht begegnen.
  • Wir denken, dass wir diese Situation nicht überleben.
  • Wir denken, dass wir den Anblick oder die Berührung nicht ertragen können.
  • Wir denken, dass diese Situation für uns lebensgefährlich ist.
  • Wir malen uns aus, wie schlimm eine bestimmte Situation für uns sein wird.
  • Wir halten uns für gestört, weil wir diese übertriebene Angst haben.

Unsere körperlichen Reaktionen

Die spezifische Phobie wird begleitet von unterschiedlichen körperlichen Beschwerden, von denen jeder von uns nur einige zeigt. Beispielsweise haben wir:

  • Herzklopfen, Herzrasen, unregelmäßigen Herzschlag
  • Schweißausbrüche
  • Zittern oder Beben
  • Mundtrockenheit
  • Atemnot
  • Beklemmungsgefühle
  • ein Druck- oder Engegefühl in der Brust
  • eine Enge oder ein Kloß im Hals
  • Übelkeit oder Bauchschmerzen
  • Schwindel
  • Unsicherheits-, Ohnmachts- und Benommenheitsgefühle
  • Unwirklichkeitsgefühle oder das Gefühl, nicht richtig dazu sein
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer
  • Taubheits- oder Kribbelgefühle
  • Überaufmerksamkeit
  • Panikattacken

Verhalten

  • Wir flüchten aus der Situation oder vor dem Objekt.
  • Wir vermeiden diese bestimmte Situation oder dieses bestimmte Objekt.
  • Wir können nur mit starker Angst oder großem Unbehagen in der Situation oder in Gegenwart des Objektes bleiben.

Ursachen für eine spezifische Phobie

Spezifische Phobien können wir auf unterschiedliche Ursachen zurückführen, häufig ist die Ursache jedoch unbekannt.

Angeborene Reaktionsweisen

Untersuchungen an Tieren lassen den Schluss zu, dass es wohl von Geburt an zwischen den Menschen einen Unterschied in der allgemeinen Angstbereitschaft gibt. Das konkrete Angstverhalten in bestimmten Situationen hingegen wird stark von der Umwelt beeinflusst.

Menschen mit einer hohen allgemeinen Angstbereitschaft reagieren schneller mit Angst und lernen Gegenmaßnahmen für Angst auslösende Situationen langsamer, gewöhnen sich langsamer an neue oder veränderte Situationen. Dennoch hat jeder Mensch Einfluss auf die Häufigkeit und Intensität seiner Ängste.

Es gibt angeborene Schreckreaktionen (die Angst vor lauten Geräuschen, Blitzen, vor Schmerz und plötzlicher Hilflosigkeit, Herunterfallen oder Stürzen) und solche, die sich im Laufe der Kindheit infolge der entstehenden Phantasie des Kindes entwickeln wie vor Objekten, Tieren und Fremden, vor der Dunkelheit und tiefem Wasser, vor Stürmen und vor dem Alleinsein.

Normalerweise verschwinden diese Kindheitsängste von selbst, wenn die Furcht nicht durch eine negative Erfahrung oder fehlende Lernmöglichkeiten erhalten bleibt. Das Kind lernt, wie man sich vor Gefahren aus der natürlichen Umgebung schützt. In der Schule lernt es, die Furcht vor dem Übernatürlichen durch das Erlernen naturwissenschaftlicher Gesetze zu überwinden.

Es gibt jedoch viele Menschen, die ihre Ängste mit ins Erwachsenenalter hinübernehmen. Kindliche Befürchtungen, über die der Betroffene nicht "hinausgewachsen" ist, lassen sich in drei Hauptkategorien einteilen:

a) Furcht vor von Menschen geschaffenen Dingen wie Furcht vor Fahrstühlen, lauten Maschinen, Sprengstoffen, Straßenverkehr, zusammenklappbaren Tischen und Stühlen und technischen Neuheiten, die kleine Kinder ängstigen.

b) Furcht vor natürlichen und übernatürlichen Ereignissen, die unverständlich und beunruhigend sind, wie Gewitter, Feuer, Dunkelheit, Tod, Blitz, Sturm, sich hin und her bewegende Äste.

c) Furcht, die mit Menschen im Zusammenhang steht, wie beispielsweise die Furcht, körperlich angegriffen zu werden, die Furcht, jemanden ärgerlich zu machen oder selbst ärgerlich zu werden, die Furcht vor Ablehnung und Verspottung, die Furcht, verlassen zu werden.

Die Furcht der frühen Kindheit spiegelt gewöhnlich Furcht vor dem Tod oder körperlicher Verletzung wider - bezüglich des Kindes selbst oder nahestehender Personen. Die Furcht, die aus der Kindheit stammt und ins Erwachsenenalter fortdauert, bezieht sich meist auf die Gruppen a oder c.

Angstreaktionen, die durch Lernen entstanden sind

Angst entsteht, wenn wir eine Situation als gefährlich erlebt haben (traumatisches Erlebnis) und uns diese Situation immer wieder ausmalen. Infolge des traumatischen Erlebnisses (beispielsweise das Erleben eines Sturzes, eines Autounfalls, das Erbrechen in der Straßenbahn, der Biss eines Hundes, beinahe Ertrinken im See) verändern wir die Einschätzung der Gefährlichkeit einer Situation radikal.

Wir halten jetzt Situationen für gefährlich, die uns vorher als harmlos erschienen sind. Wir rechnen ständig mit der Möglichkeit einer Wiederholung der Erfahrung, haben Angst vor einer erneuten Konfrontation und den damit verbundenen schmerzlichen Gefühlen.

Auch Situationen, die dieser Situation ähnlich sind, in der wir schlechte Erfahrungen gemacht haben, können wir ebenso gefährlich bewerten wie die ursprüngliche Situation. Die Angst weitet sich also aus.

Angst entsteht dadurch, dass wir in der Kindheit unsere Eltern und Bezugspersonen beobachten und nachahmen. Hat unsere Mutter z.B. eine große Angst vor Spinnen, haben wir gute Chancen, deren Bewertung von Situationen und damit deren Gefühlsreaktionen und Verhaltensweisen zu übernehmen.

Haben uns unsere Eltern beim Auftreten einer Angst sofort aus dieser Situation genommen oder unsere Angst dramatisiert, dann konnten wir keine aktive Bewältigung der Angst erlernen. Wir müssen als Kinder die Möglichkeit haben, unsere Angst stufenweise ertragen zu lernen.

So lernten wir vielleicht, dass Angstgefühle etwas Schreckliches sind, das wir durch Flucht oder Vermeidung bekämpfen sollten, oder nur mit Unterstützung anderer ertragen können. Angst entsteht auch, wenn wir Informationen und Nachrichten verzerrt wahrnehmen und die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses überschätzen - wie z.B. bei der Flugangst oder der Aidsangst.

Die häufigsten spezifischen Phobien

Gemeinsam ist den Phobien, dass wir eine Situation gefährlich einschätzen, die nicht gefährlich ist, oder die Wahrscheinlichkeit der Gefahr überschätzen und unsere Bewältigungsstrategien unterschätzen. Hier zunächst Phobien, die wir als Angst vor Örtlichkeiten zusammenfassen können:

Angst vor Höhen (Akrophobie)

Die Höhenangst tritt auf, wenn wir uns im oberen Stockwerk eines hohen Gebäudes oder auf einem Berggipfel befinden. Wir haben die Phantasie, einzubrechen, hinunterzufallen und schwer verletzt oder getötet zu werden, und bekommen als Folge davon Angst. Manchmal haben wir auch die Phantasie, wir könnten die Kontrolle über uns verlieren und uns selbst hinunterstürzen.

Körperlich reagieren wir mit Schwindel, der so stark sein kann, dass alles um uns herum unwirklich erscheint und sich der Boden in unserer Wahrnehmung zu senken beginnt. Die Meidung von Höhen oder das Hinuntersteigen führt zu einer Befreiung von der Angst.

Angst vor großen, kleinen oder geschlossenen Räumen (Klaustrophobie)

Diese Angst vor dem Eingeschlossensein tritt in vielen Variationen auf. Sie ist sehr weit verbreitet. Manche Menschen sehen sich außerstande, in der U-Bahn zu fahren, ohne in Panik zu geraten, andere erleben ihre Angst im Fahrstuhl, Auto, Theater oder geschlossenen Räumen.

Wir haben die Phantasie, eingesperrt zu sein und nicht mehr aus dem Raum zu können, oder umzufallen, keinen Halt zu haben. Unsere Angst wird verstärkt durch Räume ohne Fenster und abgeschlossene Türen. Körperlich reagieren wir häufig mit Beklemmungen in der Brust, wir befürchten zu ersticken. Leitgedanke ist: in der Falle zu sitzen und keine Kontrolle mehr zu haben.

Angst vor Aufzügen

Wir haben die Vorstellung, nicht mehr aus dem Aufzug zu kommen, stecken zu bleiben und zu verhungern, oder mit dem Aufzug in die Tiefe zu stürzen. Wir befürchten, stecken zu bleiben, nicht mehr genug Luft zu bekommen und zu ersticken. Wir fürchten uns auch vor den Menschen im Aufzug, deren Ablehnung, wenn es uns schlecht wird.

Die Angst kann so weit führen, dass wir unseren Arbeitsplatz, unsere Wohnung, unsere Freunde danach auswählen, keinen Aufzug benutzen zu müssen. Dahinter kann sich die Angst vor Höhen oder vor dem Eingeschlossensein verbergen.

Angst vor Brücken

Dahinter steckt die Vorstellung, von der Brücke zu stürzen, auf der Brücke stecken zu bleiben und nie mehr weiterfahren zu können. Wir haben die Vorstellung, verletzt zu werden, entweder weil die Brücke einstürzen könnte, oder weil wir über das Geländer stürzen oder springen könnten.

Angst vor Tunnels

Hinter der Tunnelangst steht die Vorstellung, nie mehr aus dem Tunnel herauszukommen, im Tunnel für immer eingesperrt zu sein, die Vorstellung, dass der Tunnel über ihm einstürzen könnte, dass wir ersticken oder von einer akuten lebensgefährlichen Krankheit befallen werden und außerstande seien, rechtzeitig Hilfe zu holen. Häufig erleben wir eine Atemnot, wenn wir durch den Tunnel fahren.

Angst vorm Fliegen

Bei der Flugangst haben wir z.B. die Vorstellung, mit dem Flugzeug abzustürzen oder zu ersticken, weil die Belüftung defekt ist, oder uns zu übergeben und dann vor den anderen Fluggästen blamiert zu sein. Manchmal haben wir die Idee, dass das Flugzeug in der Luft explodiert, der Motor aussetzt, die Flügel abbrechen und der Flieger sich in eine brennende Todesfalle verwandelt.

Angst vor dem Auto/Bus/Bahnfahren

Dahinter steht die Vorstellung, auf der Fahrt werde es uns schlecht und wir können nicht anhalten und auch nicht weiterfahren. Oder die Vorstellung, uns in der Stadt zu verfahren und nie mehr nach Hause zu kommen. Wir sehen, wie es ihm beim Fahren schlecht wird, wir ohnmächtig werden, alle Menschen uns fassungslos anstarren und wir völlig hilflos sind. Häufig haben wir selbst in dieser Situation eine schlechte Erfahrung gemacht oder darüber in der Zeitung gelesen.

Angst, alleine in der Wohnung zu sein

Dahinter steht die Vorstellung, uns könne in der Wohnung etwas passieren und niemand wäre da, Hilfe zu holen - sei es, dass ein Einbrecher kommt oder wir plötzlich einen Herzinfarkt bekommen.

Angst vor tiefem Wasser/Schwimmen

Wir haben die Vorstellung, plötzlich ohnmächtig zu werden, hilflos im Wasser zu treiben, und niemand ist da, der uns helfen kann. Wir sehen uns qualvoll ertrinken.

Angst vor Gottesdiensten, Theaterveranstaltungen, Kinobesuchen

Dahinter verbirgt sich z.B. die Idee, dass wir in der Veranstaltung plötzlich umfallen, laut zu schreien beginnen oder irgendetwas anderes tun könnten, womit wir die Aufmerksamkeit unangenehm auf uns ziehen. Auch die Vorstellung, die Veranstaltung nicht verlassen zu können, ohne aufzufallen, führt zu der Angst.

 

Die folgenden Phobien können wir unter dem Oberbegriff Angst vor Dingen und äußeren Ereignissen einordnen.

Angst vor dem Arzt oder der ärztlichen Behandlung

Wir sehen uns hilflos dem Arzt ausgeliefert, voller Schmerzen. Häufig geht der Angst vor Ärzten und Arztbesuchen ein tatsächlich unangenehmes Erlebnis beim Arzt voraus.

Angst vor Tieren (Katzen, Hunden, Spinnen, Vögeln, Würmern, Bienen, Schnecken, Schlangen)

Wir haben die Vorstellungen, dass wir die Begegnung mit dem Tier nicht überleben können oder von dem Tier angefallen werden. Wir verknüpfen mit dem Tier eine "Gefahr". Häufig genügt schon allein der Name des Tieres oder eine Abbildung, um die Angst auszulösen. Die Meidung oder Flucht sind meist die Strategien, die eingesetzt werden, um der Angst zu entgehen. Bei Vögeln können das Flattern, die Federn oder das Geschrei zu Signalen werden, die mit Angst verknüpft werden.

Angst vor Gewitter, Dunkelheit, Feuer, Sonne, Dunkelheit

Diese Ängste werden erzeugt durch die Vorstellung, dass Gewitter, Dunkelheit, Feuer oder Sonne gefährlich sind. Die Vorstellung handelt auch hier davon, diese Situation nicht oder nur schwer überleben zu können.

Angst vor dem Tod

Die Angst vor dem Tod kann durch verschiedene Vorstellungen erzeugt werden:

  • durch die Vorstellung eines plötzlichen Todes,
  • durch die Vorstellung einer schleichenden Krankheit mit Schmerzen und Entstellung,
  • durch die Vorstellung, dass der Tod ein Zustand des Leidens ist,
  • durch die Vorstellung, dass das Sterben ein schmerzhafter Prozess ist.

Häufig ist damit auch das unrealistische Verlangen nach Sicherheit verknüpft. Manche Menschen sind auch der Meinung, dass das Sich-Sorgen-Machen den Tod abwehrt, und dass sie sterben werden, wenn sie sich nicht mehr sorgen.Andere wiederum sehen es als unfair an, für den Tod auserkoren zu sein.

Prüfungsangst

Die Prüfungsangst wird erzeugt durch die Vorstellung, durchzufallen, abgelehnt zu werden, eigene oder fremde Erwartungen nicht erfüllen zu können.

Weitere Ängste in diesem Themenbereich sind: Angst vor Schmutz und Bakterien, Angst vor lauten Geräuschen, Angst vor Unfällen

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