Lachen, Lächeln, Lebenslust – #122

In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" zeigt Gert Kowarowsky anhand von Aussagen seiner Patientinnen und Patienten, was ein Lächeln alles bewirken kann.

Lachen, Lächeln, Lebenslust – #122
© PAL Verlag, unter Verwendung einer Illustration von Christina von Puttkamer

Den meisten Menschen, die zu mir kommen, ist selten zum Lachen zumute. Gerade deshalb mache ich es oft zu einem ernsten Thema. Wenn es darum geht, Verbindungen mit anderen Menschen herzustellen, Barrieren zu überwinden, Beziehungen zu stärken, Stress abzubauen und das allgemeine Wohlbefinden, deine Lebenslust zu verbessern, kann Lachen oft kleine Wunder vollbringen.

Lachen tut uns ganzheitlich gut – das bestätigen viele meiner Patientinnen und Patienten

Lachen ist gesund. Das einfache Lächeln ist es auch. Beides bewirkt sehr viel im Körper: Heilungsprozesse werden unterstützt und das Schmerzempfinden wird reduziert. In den Momenten, in denen du richtig herzhaft lachst, gerät dein ganzer Körper in Bewegung. Du atmest automatisch tiefer ein, die Zellen deines Körpers werden besser mit Sauerstoff versorgt, dein Kreislauf kommt in Schwung. Die Produktion von Stresshormonen wie Cortisol wird gehemmt. Doch Lachen, und genauso Lächeln, kann noch mehr: Es bewirkt darüber hinaus, dass der Körper das Glückshormon Serotonin vermehrt ausschüttet. Durch Lächeln werden wir entspannter, unsere Abwehrkräfte werden gestärkt und die Selbstheilungskräfte des Körpers mobilisiert. 

Sophie konnte sogar an ihrem Kopfschmerz- und Migränetagebuch erkennen, wie eng bei ihr der positive Zusammenhang war von Tagen, an denen sie mehr gelächelt und gelacht hatte. An diesen Tagen hatte sie deutlich seltener Migräne

Felix fand den Zusammenhang auffallend zwischen seinen schlafgestörten Nächten und jenen Nächten, in denen er leichter einschlief und besser durchschlafen konnte, wenn er tagsüber in heiterer Grundstimmung viel öfter gelächelt oder gelacht hatte. Ihm wurde dadurch auch bewusst, mit welchen Menschen ihm dies möglich war und mit welchen nicht: Es waren diejenigen, die selbst leichter und öfter lachten und lächelten.

Warum es nicht immer gelingt, zu lachen

Tom, der gerade mit Liebeskummer zu kämpfen hat, empfindet sich verständlicherweise nicht in der Lage von innen heraus Freude zu empfinden. Seine Versuche, sein Stimmungstief (eine diagnostisch eindeutige depressive Episode mittlerer Ausprägung) durch künstlich herbeigeführtes herzhaftes Lachen zu überwinden, zeigten natürlich keinerlei Erfolge. Im Gegenteil, er fühlte sich dadurch noch deprimierter, weil es ihm bewusst machte, dass es für ihn im Moment wirklich nichts zu lachen gab. Die Formel für ihn lautet hier eindeutig: 

Ohne Akzeptanz des vorliegenden Herzschmerzes keine Heilung!

Lachen hat einen positiven Effekt in mehrere Richtungen

Auf dieser Basis jedoch ist auch für ihn Lächeln eine gute Medizin. Lächeln hilft nachgewiesener Weise auch bei Stimmungstiefs und Depressionen. Nachdem wir uns die wissenschaftlichen Studien dazu angesehen hatten, wie Lächeln wieder zu mehr Lebenslust verhelfen kann, kam er lächelnd mit den folgenden zwei Textpillen in die nächste Therapiesitzung. Er hat sie bei seinen Internetrecherchen zum Thema Lachen und Lächeln als Medizin gefunden. Beide beeindrucken ihn sehr und sind für ihn, so sagt er, „game changer“. 

„Aber ich lebe jetzt. Ich lächle meinem Ausatmen zu und bin mir meiner Lebendigkeit bewusst. Niemand kann euch davon abhalten, euer Einatmen zu genießen. Atmet als ein freier Mensch.“

Thich Nhat Hanh

„Manchmal ist deine Freude die Quelle deines Lächelns, aber manchmal kann dein Lächeln die Quelle deiner Freude sein.“

Thich Nhat Hanh

Wage das Experiment, andere anzulächeln

Es ist ein Experiment wert. Probiere es aus. Bei deinem nächsten Weg draußen in der Welt lächle bewusst die an, die dir entgegenkommen. 

Lächeln wirkt sich nämlich nicht nur auf dich selbst aus, sondern hat auch einen Effekt auf andere Menschen. Dein Gesicht ist automatisch attraktiver, wenn du lächelst. Genetisch bedingt wirkt ein Lächeln in den meisten Fällen auf dein Gegenüber wie eine weiße Friedensfahne. Lächeln signalisiert, dass du grundsätzlich Gutes im Sinn hast und positiv und wertschätzend auf andere zugehen möchtest. Dies macht dich sympathischer und es ist für dein Gegenüber viel einfacher, mit dir als lächelndem Menschen in Kontakt zu kommen. 

Wenn du andere anlächelst, wirst du oft erleben, dass andere zurücklächeln. Ganz im Gegensatz zur „coolen“, unnahbaren, versteinerten Mimik, mit der viele Menschen glauben, sich vor der Welt da draußen schützen zu müssen. Dein Alltag kann durch deinen Entschluss, bewusst zu lächeln, viel leichter werden. Andere Menschen sind eher bereit, dir einen Gefallen zu tun, auch Fehler lassen sich mit einem entschuldigenden Lächeln leichter ausbügeln. 

Und falls du demnächst ein Rendezvous hast, verlasse dich auf die Daten meiner sozialpsychologischen Kolleginnen und Kollegen, die bestätigen können, dass jeder Mann und jede Frau sich von einem wertschätzenden Lächeln angezogen fühlt.

Lachen hilft dir, Kontakt zu knüpfen und Bindungen zu vertiefen

Kurzum: Lächeln ermöglicht dir leichter Kontakt zu bekommen und soziale Bindungen zu vertiefen. Lächeln erleichtert die alltägliche Kommunikation, sowohl im Privatleben als auch in beruflichen Situationen.

„Aber genau das ist ja mein Problem“, sagte Pia „ich bin so schüchtern, dass ich, wenn ich unterwegs bin, niemanden anschaue, geschweige denn anlächle …“ 
Ich schlug ihr vor, mit einer meiner beliebtesten Übungen zu experimentieren, die dabei hilft, die Tür zu mehr Lächeln in sozialen Situationen zu öffnen. Die Übung ist folgende:

Gehe von nun an mit erhobenem Kopf durch die Welt. Statt auf den Boden zu schauen, schaue alle Menschen an, die dir entgegenkommen. Erlaube dir zwischendurch immer wieder Entgegenkommende anzulächeln. Wenn es dir sehr schwerfällt, wähle, womit du beginnen möchtest: Möchtest du zuerst einmal nur sehr alte Menschen anlächeln? Oder vielleicht nur kleine Kinder? Oder nur die Entgegenkommenden, die dir selbst hell und lächelnd erscheinen? Oder zur Einstimmung in die Übung einfach bei jedem Gang durch die Welt mindestens drei Personen anlächeln?

Entscheide dich bewusst dafür, zu lachen, und du erlebst Leichtigkeit

Pia machte bei ihrer Übung eine interessante Beobachtung: Kinder lächeln und lachen viel mehr. Bei erwachsenen Menschen hörte sie viel seltener lautes Lachen und ihr wurde bewusst, wie viele Menschen ernst, unzufrieden, ja mürrisch auf ihren Wegen durch den Alltag unterwegs sind. Sie beobachtete aber auch, dass das, was wir theoretisch besprochen hatten, tatsächlich eintraf. Ihr Lächeln wurde häufig erwidert. Der Blick der Angelächelten erhellte sich. Manchmal erschien es ihr, als ob andere wie aus ihren inneren Gedankenwelten auftauchten und plötzlich im Hier und Jetzt durch ihr Anlächeln wieder lächelnd ankamen.

Bei sich selbst beobachtete sie, dass neben ihrer Sozialängstlichkeit ein weiterer Grund dafür, dass sie so selten lächelte, darin bestand, dass sie sich oft gestresst fühlte. Als Finanzbuchhalterin spürt sie täglich den Druck, den sie sich macht, der Verantwortung gerecht zu werden, fehlerfrei zu arbeiten. Als Grundlage für ein unbeschwerteres Lächeln achtete sie deshalb vermehrt darauf, nach Feierabend ganz bewusst zur Ruhe zu kommen. Sie entschied sich, sich häufiger und mehr Zeit zu nehmen für Dinge, die ihr guttun: Spaziergänge mit ihrem Hund in der Natur, Yoga, Sauna oder lesen. 

Sie begann auch ein Dankbarkeitstagebuch zu führen und beobachtete dabei, wie sehr Dankbarkeit und authentisches Lächeln zusammenhängen. Je mehr ihr bewusst wurde, wofür sie heute dankbar war, desto glücklicher fühlte sie sich. Dies wiederum führte dazu, dass sie im Alltag auch mehr lächelte. Mehr positive Reaktionen anderer auf sie waren die Folge. Mehr zu lächeln wurde für sie immer einfacher und müheloser.

Pia merkte, dass diese bewusste Entscheidung, mehr zu lächeln, ihr Wohlbefinden und ihre Ausstrahlung erheblich verbesserte. Wenn sie heute an einem Spiegel vorbeikommt, zum Beispiel beim Händewaschen nach der Toilette, genießt sie es, sich selbst jedes Mal anzulächeln. Durch ihre Erfahrung bestätigte sich auch für sie der Satz von Thich Nhat Hanh als richtig:

„Manchmal ist deine Freude die Quelle deines Lächelns, aber manchmal kann dein Lächeln die Quelle deiner Freude sein.“

Lachen ist der Strahl deiner Aufmerksamkeit

Ihr Sich-selbst-Anlächeln führt zu mehr positiven Gedanken und je mehr positive Gedanken sie tagsüber hat, umso mehr lächelt sie natürlicherweise von innen heraus.

Lass dich einladen, den Strahl deiner Aufmerksamkeit wieder mehr auf die helle Seite des Lebens zu richten. Und teile deine innere Helligkeit mit der Welt.

Meditate and enjoy: Lachen, Lächeln, Lebenslust!

Lächelnd,

Dein Gert Kowarowsky

Erfahrungen aus der Praxis …

… ist die psychotherapeutische Kolumne mit Inspirationen für deine Lebensgestaltung und den Umgang mit schwierigen Lebensthemen. Du findest alle Teile der Kolumne und mehr über den Autor Gert Kowarowsky hier.

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 Lachen hat einen positiven Effekt in mehrere Richtungen
 Wage das Experiment, andere anzulächeln
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 Entscheide dich bewusst dafür, zu lachen, und du erlebst Leichtigkeit
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