Fühlst du dich gestresst, müde oder bedrückt? In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" erfährst du, wie du in der Natur Entspannung und Ruhe findest und warum du dazu gleich mit dem Waldbaden beginnen kannst.
„Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt …“
So jedenfalls schrieb es Joseph von Eichendorff 1822 in einem Gedicht mit dem Titel "Der frohe Wandersmann". Von dem Schweizer Komponisten Theodor Fröhlich wurde es 1833 vertont und dadurch zu einem der bekanntesten Volkslieder. Ja, und auch heute gibt es sie immer noch zu entdecken, die Wunder in Berg und Wald und Strom und Feld.
Längst hat sich die segensreiche Wirkung eines Waldspaziergangs herumgesprochen. In Japan wird dies Shinrin Yoku genannt, was wörtlich übersetzt „Waldbaden“ bedeutet. Der kleine Unterschied zwischen einem Waldspaziergang und einem Waldbad ist einfach: Beim Waldspaziergang schnatterst du vielleicht mit deiner Partnerin bzw. deinem Partner vor dich hin oder bist ganz mit deinen eigenen Gedanken beschäftigt. Der Wald ist dabei innerlich meist völlig ausgeblendet. Wenn du jedoch bereit bist, deine inneren und äußeren Gespräche sowie dein Smartphone aus- und deine Sinne eingeschaltet zu lassen, wenn du vor lauter Bäumen den Wald dennoch siehst, hörst, fühlst und seine reine Luft einatmest – dann nimmst du tatsächlich ein Bad im Wald.
Inzwischen gibt es viele seriöse wissenschaftliche Studien über die positiven Auswirkungen eines Waldbades. Dreißig Minuten lang mit wachen Sinnen – sehend, hörend, fühlend, atmend – durch den Wald gegangen, in ihm gebadet zu haben, führt nachweisbar zu folgenden Veränderungen: Deine Stresshormone reduzieren sich, insbesondere Cortisol und Adrenalin. Dein Blutdruck sinkt und dein psychisches Wohlbefinden steigt.
Die angstlösenden und antidepressiven Wirkungen eines Waldbades wurden inzwischen über mehrere Mechanismen erklärt: Neben der Bewegung draußen im Wald sind es die Komponenten des Waldlichts mit seinen speziellen Farben, die angenehmen Waldgeräusche und die phytomedizinisch messbaren, wirksamen aromatischen Öle inklusive ihrer Terpene sowie Phytonzide, die gemeinsam diese positiven Effekte bewirken.
Wenn du also neue Energie tanken möchtest, geh in den Wald, in die Felder, in die Berge, zum Strand, an den Fluss oder wenigstens in den Park!
Im Ayurveda werden diese besonderen Orte als Geschenke der Natur, als sattvisch bezeichnet. Sattva bedeutet: hell, gut, heilend, wohltuend, evolutionär, auf allen Ebenen förderlich.
Vielleicht zieht es dich auch zu einem See. Schon ein Spaziergang entlang eines ruhigen Sees wirkt tief regenerierend. Manche meiner unter Stress leidenden Patientinnen und Patienten haben für sich entdeckt, dass ihnen ein paar Tage Urlaub an einem stillen See besonders viel Beruhigung und Entspannung schenken. Selbst wenn es bei uns aktuell noch zu früh ist zum Schwimmen, ist es gut zu wissen, dass ein Bad in einem stillen See viel aufgewühlte Energie zu besänftigen vermag.
Gib dir etwas Gutes: Waldbaden, Waldseebaden, Eintauchen in die Natur. Draußen schlendern, draußen gehen, draußen wandern, draußen sitzen, draußen liegen, draußen spielen, draußen SEIN. Das geht auch bei sogenanntem "schlechten" Wetter. Mit der richtigen Kleidung ist die Natur auch dann schön und heilsam.
Also ab nach draußen mit dir! Anstatt dich am Wochenende zu deiner "Erholung" für einen Einkaufsbummel in überfüllten Einkaufszentren zu entscheiden, lärmende Veranstaltungen zu besuchen oder dich im dunklen Zimmer hinter dem Computer oder dem Fernseher einzuigeln. Auch die in ganz grauen Zeiten manchmal hinter dicken Mauern genossenen, vermeintlich entspannenden Flaschen Alkohol helfen dir sicher nicht dabei, am darauffolgenden Tag deinen beruflichen Alltag mit frischer Energie zu bewältigen.
"Ab nach draußen!" kann manchmal auch bedeuten aufzustehen, die Balkontür oder die Haustür zu öffnen, ein paar Schritte herauszutreten und wieder den freien Himmel über dir zu spüren. Besonders wenn dir mal wieder die Decke auf den Kopf fällt, wenn du dich eingeengt und bedrückt fühlst, kann das sehr hilfreich sein. Denn ist dir schon einmal aufgefallen, dass wir meistens eine Decke über uns haben? Das Dach unseres Autos, von Bus und Bahn, im Büro, in der Einkaufspassage, im Kino und Zuhause … Nutze deshalb jede Gelegenheit, die Weite des Himmels über dir zu sehen und zu spüren. Das hilft dir dabei, leichter erweiternde Lösungen zu finden, wenn du dich gerade bedrückt fühlst und die aktuelle Situation "aussichtslos" erscheint.
Also ab nach draußen! Am besten raus in Wald und Feld – aber auf jeden Fall immer wieder raus aus Räumen, die die Weite des Himmels verdecken. Gehe hinaus in die Natur und kehre zurück als erfreute Wandersfrau, als erfreuter Wandersmann. Lass dich, wie es Joseph von Eichendorff beschreibt, vom Morgenrot in der Natur erquicken oder vom Abendrot besänftigen.
Lerchen, Bäche, Wälder und Felder freuen sich auch heute noch darauf, dich zu erfreuen.
Dein
Gert Kowarowsky
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