Bewahre in schwierigen Situationen den inneren Frieden – #89

In diesem Beitrag der Serie "Erfahrungen aus der Praxis" zeigt Gert Kowarowsky vier Wege, wie wir mit unangenehmen, schwierigen Situationen umgehen können.

Bewahre in schwierigen Situationen den inneren Frieden – #89
© PAL Verlag, unter Verwendung einer Illustration von Christina von Puttkamer

Immer wenn dein ganzer Körper, dein ganzes Gefühl, deine ganze Gedankenwelt „Nein! Nein! Nein!“ zu einer gegebenen Situation sagen, dann stehst du vor der Aufgabe, deinen inneren Frieden zu bewahren oder wiederherzustellen.

4 Wege, um mit schwierigen Situationen umzugehen

Lass uns die möglichen Wege dazu systematisch analysieren:

Weg 1:Ändern

Der erste und natürlichste Weg besteht darin, das, was dir nicht gefällt, zu ändern. Halte also immer zuerst Ausschau danach, was du tun kannst, um die Situation in deinem Sinne zu verbessern.

Was ist prinzipiell möglich? Was kannst du tun? Kannst du es allein ändern? Brauchst du Hilfe dazu? Wer könnte dir dabei helfen? Wie viel Zeit, Geld, Anstrengung wird es benötigen, um diese dir unangenehme Situation zu verändern? Lohnt sich der Aufwand? Steht er in einem guten Kosten-Nutzen-Verhältnis zu dem zu erwartenden Ergebnis?

Wenn ja, was genau ist dann sinnvollerweise die erste Handlung, die es auszuführen gilt, um die Situation zu verändern? Nach einer klaren Situationsanalyse kannst du nun Schritt für Schritt vorgehen, die unangenehme Situation ändern und dadurch deinen inneren Frieden wiederherstellen.

Weg 2:Gelassenheit

Kommst du in deiner Analyse jedoch zu der Erkenntnis, dass die Situation nur mit einem unverhältnismäßigen, viel zu hohen Aufwand zu ändern ist, oder es sich sogar um eine Situation handelt, die prinzipiell unveränderbar ist – auch nicht mit der Hilfe anderer –, dann bietet sich der zweite Weg an: der Weg der Gelassenheit. Spüre in dich hinein, ob es dir möglich ist, den Weg der Gelassenheit zu gehen.

Ge-Lassenheit – in diesem Wort ist bereits die Wegbeschreibung enthalten: Kannst du dich entschließen, es so sein zu lassen, wie es ist? Ohne zu grübeln und zu hadern? Es lassen, nichts daran ändern, anerkennen, dass es jetzt so ist, wie es ist. Den inneren Zustand der Ge-Lassenheit dazu freischalten: „Ja, so ist es“, „Ja, so ist es“, „Ja, so ist es“.

Das bedeutet nicht, dass du es gut finden musst, so wie es ist! Es bedeutet nur, dass du anerkennst, dass die Situation jetzt so ist, wie sie ist, und dass du sie nicht ändern kannst. Oder du sie zwar prinzipiell ändern könntest, dir der Aufwand dafür aber zu hoch ist und in keinem sinnvollen Verhältnis steht zu dem möglichen Ergebnis.

Krass formuliert kann der zweite Weg bezeichnet werden als der Weg zum inneren Frieden durch radikale Akzeptanz. Radikale Akzeptanz der Situation, die jetzt in dein Leben eingetreten ist. Radikale Akzeptanz, dass es jetzt so ist, wie es ist. Ja, so ist es! Und damit einhergehend kein Kämpfen mehr, kein Aufruhr, kein Hadern, kein „Ja, aber…“. Aber auch kein „Wieso immer ich?“. Einfach: „Ja, so ist es, ja, so ist es.“ Ge-Lassenheit. Radikale Akzeptanz.

Weg 3:Gehen

Für die Situationen in deinem Leben, die du weder ändern noch akzeptieren kannst, gibt es prinzipiell die Möglichkeit, die Situation zu verlassen. Aus dem Felde gehen. Das Kampffeld verlassen. Die Beziehung, das Arbeitsverhältnis, das Mietverhältnis, den Kontakt beenden. Den inneren Frieden dadurch wiederherstellen, dass du loslässt und deinen Lebensweg fortsetzt, jenseits der Situation, die nicht veränderbar oder für dich nicht in Gelassenheit akzeptabel ist.

Weg 4:Lernen

Bist du nicht bereit oder fähig zu gehen, bist du nicht bereit oder fähig, die Haltung der radikalen Akzeptanz, der Gelassenheit einzunehmen und lässt sich die Situation nicht verändern, dann steht dir noch der vierte Weg offen, mit dem du deinen inneren Frieden beibehalten oder wiederherstellen kannst:

Du kannst dich dazu entschließen, ALLES, ausnahmslos ALLES, was in deinem Leben geschieht, als Herausforderung zum Lernen anzunehmen.

Jede Situation, die dir jetzt noch nicht bewältigbar erscheint, die du jetzt noch nicht zu akzeptieren oder zu verlassen bereit bist, kannst du mit der Frage umkreisen: „Was kann ich aus dieser Situation lernen? Wie möchte ich mich das nächste Mal anders verhalten, wenn wieder eine ähnliche Konstellation auf mich zukommt, um eine solche Situation nicht noch einmal entstehen zu lassen? Was gibt es hier, in dieser Situation, für mich zu lernen, als der Mensch, der ich bin? Welche Entwicklungsaufgabe kann ich darin sehen?“

Vielleicht bekommt in diesem Zusammenhang eine alte indianische Weisheit eine neue, tiefe Bedeutung für dich:

Unseren Feinden haben wir oft mehr zu verdanken als unseren Freunden. Unsere Feinde zwingen uns dazu, Fähigkeiten zu entwickeln, die wir ohne ihre Anwesenheit in unserem Leben niemals entwickelt hätten.

Zum vierten Weg gehört also – wenn du ihn gehen möchtest – dein Entschluss zu täglicher Lernbereitschaft. Wenn du diesen Entschluss gefasst hast, frage dich ab jetzt bei jeder von dir als nicht veränderbar eingestuften Belastungssituation und bei all den veränderbaren, aber jenseits eines guten Kosten-Nutzen-Verhältnisses liegenden Situationen, die zu akzeptieren oder zu verlassen du nicht bereit bist, gegen deren Existenz sich in dir alles auflehnt:

Was kannst du und was möchtest du daraus lernen?

Wie kann ich bei der nächsten Konfrontation damit so konstruktiv wie möglich und ohne mich selbst zu schädigen umgehen? Welcher neue Gedanke, welche neue Verhaltensweise der unangenehmen Situation gegenüber verhilft mir wieder zu mehr innerem Frieden?

Zu dem bekannten: Change it, love it, or leave it hast du damit eine zusätzliche Wahlmöglichkeit. Neben der Veränderung einer dir unangenehmen Situation, der Akzeptanz einer dir unangenehmen Situation und dem Verlassen dieser Situation, kannst du dich auch dazu entschließen, in jedem Moment deines Lebens zu lernen und dich weiterzuentwickeln – in angenehmen wie in unangenehmen Situationen.

Viel Frieden und Freude auf deinem weiteren Lebensweg wünscht dir

Dein

Gert Kowarowsky

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Agnes schreibt am 19.08.2023

Komm ich langsam auch dahinter...
Hätte ich besser mit 25 Jahren schon gewusst und praktiziert - statt jetzt erst mit 61 Jahren ... Aber besser spät als nie...
Bei den Coda-Selbsthilfegruppen, sagen wir immer den "Gelassenheitsspruch" :
Gott gebe mir
die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.


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 4 Wege, um mit schwierigen Situationen umzugehen
 Was kannst du und was möchtest du daraus lernen?
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